Mülheim. .

Ein halbes Jahr kann den Unterschied machen: Seit sechs Monaten gibt es an der Tersteegenschule eine besondere erste Klasse. In der „Integrierten Diagnose- und Eingangsklasse“ (Idee) werden Kinder im Einschulungsalter, die an der Grenze zur geistigen Behinderung stehen, intensiv von Sozialpädagoginnen betreut und unterrichtet. So will man sie näher kennen lernen und fundierter entscheiden können, welche Schulform für sie die richtige ist. Grundschule oder Förderschulen mit verschiedenen Schwerpunkten sind da denkbar. Nun steht diese Entscheidung erstmals an, und die Ergebnisse erstaunen und begeistern die Pädagoginnen gleichermaßen. „Wir werden kein Kind an eine Schule für geistige Behinderung schicken. Einige werden zur Regelschule wechseln“, sagt Dr. Christiane Fernkorn. Für die Schulleiterin der Ter­steegenschule ist das der Beleg, dass ihr Projekt das Potenzial dieser Kinder richtig nutzt.

Manchmal zeigt sich Fortschritt in absoluter Ruhe: Eben noch haben die 15 Kinder lautstark eine Lernpause gemacht und dann mit großem Tamtam die genutzten Spielsachen weggeräumt; nun sitzen sie gespannt auf ihren Plätzen und schauen ihre Klassenlehrerin an, bereit zu lernen. Jungen und Mädchen sind dies, die teils im Kindergarten „besonderes Störungspotenzial“ zeigten, die dort nicht gerne saßen und schon gar nicht still.

Kinder mit verschiedensten Förderbedarfen kommen in allen Klassen der Förderschule zusammen. Auch die „Idee“ vereint Schüler mit unterschiedlichen Bedürfnissen: wie etwa den kleinwüchsigen Jungen, das Mädchen mit autistischen Zügen, den Flüchtlingsjungen ohne Deutschkenntnisse, das leicht entwicklungsverzögerte Mädchen. Deutsch, Mathe, Englisch stehen für sie auf dem Stundenplan, ganz wie in einer Grundschule. Doch an der Tersteegenschule werden diese Fächer nicht mit Frontalunterricht vermittelt, sondern durch spezielle Aufgabenstellungen und Unterrichtsmaterialien. Das ist immer so, bei „Idee“ kommt eine intensive Betreuung hinzu: Die 15 Schülerinnen und Schüler werden immer von mindestens zwei Sozialpädagoginnen und einer Integrationshelferin betreut.

Sie geben den Kindern klare Regeln und Strukturen vor. Gerade das, sagt Dr. Christiane Fernkorn, hilft den Kleinen, sich zurechtzufinden.

Erfolgserlebnisse

Wichtig an der intensiven Betreuung, die die Schulleiterin „Lernluxus“ nennt, ist zudem, dass die Kinder sie frühzeitig erhalten, gleich ab der ersten Klasse. So, sagt die Sonderpädagogin, erlebten die Kinder erst gar keinen „Lernmisserfolg“. Kämen Kinder von der Grund- an die Forderschule, müssten oftmals nicht nur Lernrückstände aufgeholt werden. Zudem habe meist das Selbstbewusstsein der Kinder gelitten und das gelte es zunächst wieder aufzubauen. „Hier haben Kinder Erfolgserlebnisse. Wir sondern nicht nach unten aus“, betont Dr. Christiane Fernkorn und ist sicher, dass auch das ein Grund für die „beeindruckende Entwicklung“ der Kinder im letzten halben Jahr ist.

Die Erfahrungen hat das Team der Heißener Förderschule überzeugt, die „Idee“ zum Standard in der ersten Klasse zu machen. Damit, sagt Dr. Christiane Fernkorn, wird man nicht nur den Bedürfnissen der Kinder, sondern auch den Wünschen der Eltern gerecht. Denn die stünden gerade vor der Einschulung vor einer schwierigen Wahl, die die intensive Diagnose erleichtern könne. Dr. Christiane Fernkorn: „Die Eltern wünschen sich eine ruhigere, kleinere, überschaubare Schule und Klasse für ihre Kinder.“