Mülheim. .

Die alte Tante SPD und der Zeitgeist – zwei Dinge, die sich künftig auch in Mülheim wieder näher kommen sollen. Die Sozialdemokraten haben sich, ganz im Sinne ihres Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel, eine Öffnung in die Bürgerschaft verordnet. Mit ihr wollen sie mehr ins Gespräch kommen, auch Nichtmitglieder sollen die Programmatik der Partei mitgestalten.

Gestern stellte Mülheims Parteiführung, der Vorsitzende Lothar Fink (49) und dessen Stellvertreter Constantin Körner (27), vor, was in Teilen schon gestartet ist. Stichwort „Kommunalwerkstadt“. Mit jener Veranstaltungsreihe, die bereits in Speldorf und Stadtmitte Premiere hatte, will die SPD sich der Diskussion in den Stadtteilen stellen. Ausdrücklich eingeladen: Bürger.

In Speldorf hatte die Partei zunächst in Fragebögen bei Akteuren des Stadtteils erfragt, wo Stärken gesehen werde, wo Chancen und Möglichkeiten, wo Mängel. Immerhin schon mal 20, 25 Bürger seien zur moderierten Diskussion gekommen (in der Stadtmitte gar 80), um ihre Meinung zur Duisburger Straße, zum Branchenmix im Handel oder belastenden Lkw-Verkehr in die Debatte einzubringen. „Wir haben dort auch neue Kontakte zu Bürgern hergestellt, das ist ein Pfund“, ist Parteichef Fink erfreut über den Aufschlag. Die „Kommunalwerk­stadt“ soll sich auf weitere Stadtteile ausbreiten.

Darum geht’s: Die SPD will ihr Ohr näher dran haben am Bürger, will nicht länger von vielen als entrückte Organisation wahrgenommen werden. „Wir wollen mehr Befindlichkeiten der Bürger in unsere Diskussion heben“, sagt Fink. Klar: Vielleicht lasse sich so auch das eine oder andere neue Mitglied gewinnen. Mülheims SPD ist von in der Spitze 5250 Mitgliedern (1981) auf aktuell 2140 geschrumpft. Durchschnittsalter der Genossen: knapp über 60 Jahre – das zeigt, wo der Schuh drückt.

„Wenn wir die Türen nicht ganz weit aufmachen, wird es schwierig werden, und das gilt für alle Parteien, künftig noch eine große Rolle in der Gesellschaft zu spielen“, sagt Geschäftsführer Arno Klare. „Die Leute wollen mitreden – und zwar auf Augenhöhe.“

Neben den Stadtteil-Werkstätten sollen deshalb bis Anfang Dezember neun Themenforen ihre Arbeit aufgenommen haben. Auch hier sollen Nichtmitglieder mitreden können. Foren gibt es zu den Themen Soziale Stadt, Arbeit, Bildung, Integration, Stadtentwicklung, kommunale Finanzen, „Europa-/Bundes-/Landespolitik“, „Global denken – lokal handeln“ und „familienfreundliche Partei“. Letzteres Forum versteht die SPD doch eher als parteiinterne Veranstaltung. Unter der Leitung von Fink persönlich will man Wege finden, die Beruf, Familie und eben parteipolitisches Ehrenamt besser vereinbar werden lassen. Im Kern geht’s um die Frage: Wie kann sich die Partei verjüngen? Ein Zeichen: Fünf Foren werden von Jusos moderiert werden.

Die SPD will keine Mecker- oder Laberrunden. Lothar Fink sagt: „Wir verfolgen klar das Ziel, die Diskussionen in den Foren auch mit Hinblick auf unser nächstes Wahlprogramm zu führen.“ Dabei soll Otto Normalbürger gar Antrags- und Rederecht auf Parteitagen zugestanden werden.

Das Themenforum Integration mit derzeit 22 Mitgliedern hat bereits die Arbeit aufgenommen, die anderen folgen. Die SPD hat ihre Mitglieder bereits, wo möglich, per Mail zum Mitwirken aufgerufen. So haben sich bisher 102 Parteimitglieder angemeldet. Geschäftsführer Arno Klare geht am Ende von einer Beteiligung von gut 10 % aus den eigenen Reihen aus, Briefe per Post sind gerade erst rausgeschickt.

Insbesondere lädt Parteichef Fink nun Bürger ein, sich bei den Foren einzubringen. Die Hemmschwelle, sagt er, sei zwar hoch, da viele dächten: Da kannste eh’ nicht mitreden! „Das“, verspricht Fink, „ist jetzt wirklich anders.“