Mülheim. .
Der Landesinnenminister schlägt Alarm. Die Zahl der Wohnungseinbrüche geht durch die Decke und wird landesweit dieses Jahr auf 50 000 Taten steigen. Deshalb hat er die Kampagne „Riegel vor!“ ausgerufen. Hauptziele: Die Bürger sollen ihre Wohnungen besser schützen und ihre Nachbarschaft besser beobachten.
„Die Zahlen sind alarmierend“, sagt Heinz Jüschke, Chef der Direktion Kriminalität. In einigen Städten gebe es Steigerungsraten von bis zu 50 Prozent, parallel dazu gehen die Aufklärungsquoten in den Sinkflug. „Zum Glück ist Mülheim von diesem Landestrend abgekoppelt“, sagt Jüschke. Nach dem Negativrekord 2009 (782 Einbrüche) sind die Fallzahlen 2010 um mehr als 20 Prozent gesunken (614). Nach den Prognosen dürfte die Zahl der Einbrüche dieses Jahr wieder um fünf Prozent ansteigen.
Gegen diesen Trend setzt die Polizei die von der Polizeipräsidentin immer wieder geforderte „Kultur des Hinschauens“. Gisbert Tiede, Chef des Einbruchskommissariates, verdeutlicht am Beispiel eines aktuellen Falles, worum es geht: Donnerstag um 18.45 Uhr werkeln zwei Täter an einer Wohnungstür in einem Mehrfamilienhaus. Der Mieter gegenüber beobachtet das Treiben durch seinen Türspion - und tut nichts. Später schellt der Nachbar bei ihm und sagt: Bei mir ist eingebrochen worden. Haben Sie denn nichts gesehen? Doch, sagt der Mann. Aber ich habe mir nichts dabei gedacht.
Hätte er doch nur die Polizei angerufen, ärgert sich Tiede. Denn just an diesem Abend war der achtköpfige Einsatztrupp Wohnungseinbruch unterwegs, den die Kripo im dritten Winterhalbjahr hinter einander aufgestellt hat. „Die Kollegen hätten die Täter so einfach abfischen können.“
Der Appell der Polizei an die Bürger: Behaltet eure Nachbarschaft im Auge. Und: Wenn euch irgendetwas verdächtig vorkommt, ruft 110 an. Die Polizei will die bisherige Notrufnummer zu einem Hinweistelefon ausbauen. Das bedeutet auch einen Umbau von Strukturen in der Leitstelle. Überhaupt wird auch die Polizei für die Kampagne umlernen müssen. Jüschke: „Jeder Polizist muss jeden Hinweis annehmen.“ Zudem sollen die Beamten des Bezirksdienstes in die Lage versetzt werden, eine Grundberatung zur Frage zu leisten: Wie mache ich meine Wohnung mit vertretbarem Aufwand einbruchssicherer?
Das ist nämlich gar nicht so aufwändig, versichert Lutz Müller, Leiter des Kommissariates Vorbeugung. Einbrecher sind nämlich nicht mit schwerem Gerät unterwegs, weil an den meisten Fenstern und Türen ein größerer Schraubendreher ausreicht, den die Täter in der Kleidung verbergen können. Studien zeigen: Wenn Türen und Fenstern diesem Angriff widerstehen, sucht der Täter sich einen leichter zugänglichen Tatort.
Viele Maßnahmen, die die landesweite Kampagne vorsieht, sind in Mülheim „bereits gelebter Alltag“, sagt Jüschke. Daher steht die Stadt im NRW-Vergleich recht gut da, auch bei der Aufklärungsquote. Tiede nennt auch die vergleichsweise hohe Kontrolldichte als Grund für die moderaten Einbruchszahlen: „Einbrecher lassen sich abschrecken, wenn ein Streifenwagen vorbei fährt.
Ein klares Dementi zum Schluss: „Styrum und Dümpten sind keine Schwerpunkte beim Wohnungseinbruch, auch wenn das noch so oft erzählt wird. Die Zahlen sagen das ganz deutlich.“