Der Maler und Karikaturist Hermann Haber gehörte in den 20er Jahren zur geselligen und künstlerischen Szene Mülheims. Er starb als NS-Opfer in Auschwitz.
Es muss eine vergnügliche Gesellschaft gewesen sein, die Hermann Haber da am Ruhrufer postierte. Ein Schiff der Weißen Flotte dampft über den Fluss. Ruhrabwärts geht es, vorbei an den Menschen im Sonntagsstaat der späten 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, vorbei an einem winkenden Herrn, vorbei an den Hochöfen der Friedrich Wilhelms-Hütte. Das industrielle Mülheim war noch Ausflugsziel. Der Leinpfad breit, die Stimmung in Pastelltöne gegossen, wo heute allseits grauer Beton regiert. An der Stelle, die Haber als Standort wählte, senkt sich seit 1971 die Rampe der Konrad-Adenauer-Brücke. Unattraktiver kann eine Ecke kaum sein. Und kaum weiter entfernt von dieser beschwingten Szene.
Hermann Haber, der Maler, hat die Mitglieder eines Stammtisches im Hotel Monopol verewigt. Allesamt waren sie Mitglieder des Mülheimer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Ein Bankier, ein Jurist, ein Lederfabrikant, Haber selbst und seine Freundin. Im Hotel in der Hindenburgstraße traf man sich wie andere Stammtische auch. Im Monopol spielte man Karten. Immer mittendrin Haber, ein geselliger, kleiner Mann. Ein Original, stets mit Zigarre im Mundwinkel. Ein talentierter Zeichner, ein wortgewandter Spötter, ein Lokalpatriot, ein Künstler mit ulkiger Ader. Weder politisch noch gesellschaftskritisch, „vielmehr so heiter wie harmlos, dabei originell und verspielt”. So beschreibt ihn die Historikerin Dr. Barbara Kaufhold. Zusammen mit Gerhard Bennertz hat sie Habers Vita aufgedröselt. Als eine von vielen. Als Beitrag gegen das Vergessen. Und für ein äußerst ambitioniertes Buch über „Juden in Mülheim an der Ruhr”.
Auf Haber sind beide über seine Kunst und einen Künstlerfreund gestoßen – Heinrich Siepmann (1904-2002), den bekannten Mülheimer Konstruktivisten. Siepmann hat Hermann Haber gut gekannt. Er war „eine komische Figur, ein lustiger Kerl”, der an der Düsseldorfer Akademie studiert hatte, schöne Pastelle malte, die in Mülheim gut ankamen und „im Dutzend” Reproduktionen von Bismarck-Portraits für Mülheimer Bürgerhäuser lieferte, beschreibt er seinen Künstlerfreund im Interview mit Kaufhold.
Am 26. November 1885 wurde Hermann Isaak Haber in Mülheim geboren. Sein Vater war Schlächter und stammte aus Russland, seine Mutter Fanny war Mülheimerin. Hermann war ihr erstes von drei Kindern. Die Mutter war bereits 39, als er zur Welt kam.
Haber war Kunstmaler, verdiente sein Geld mit Auftragsarbeiten für Postkarten, eben mit dem Kopieren von Bismarck-Bildern und Karikaturen für die Mülheimer Zeitung. Seine plakativen Bilder von Wasserbahnhof und Weißer Flotte sind zeitlos schön. Und blieben teils erhalten.
Er habe nicht gemerkt, dass die Nazis hinter ihm her waren, erinnert sich Siepmann im Zeitzeugen-Gespräch an den Künstlerfreund. Doch der Mordmaschinerie des Dritten Reichs konnte der Mülheimer Maler nicht entfliehen. Mit Hildegard Meyer, seiner Freundin und späteren Frau, emigrierte Haber bereits 1933 in die Niederlande. Neun Jahre lebte und arbeitete er dort. „Die verspielte Harmlosigkeit, die sich in Habers Karikaturen zeigt, entsprach wohl auch dem Wesen des Künstlers und führte später vielleicht zu der verhängnisvollen Fehleinschätzung der politischen Situation im holländischen Exil”, stellt Kaufhold fest. Die Bilanz des Schreckens ist ebenso nüchtern wie grausam: „Hermann und Hildegard Haber wurden von Holland aus nach Auschwitz deportiert und am 27. 5. 1942 für tot erklärt.” Sibylle Haber, eine Verwandte des Malers, die in ihrer Kunsthandlung in der Delle 19 seine Bilder verkaufte, wurde ebenfalls nach Auschwitz deportiert. „Hermann Habers Bruder Alfred wurde von Krefeld aus nach Litzmannstadt/Lodz deportiert, beide wurden für tot erklärt", hält Kaufhold fest.
Das Ende teilten die Habers mit hunderten Mülheimern jüdischen Glaubens. Bennertz hat in 30 Jahren Recherche ungezählte Mosaiksteine zusammengefügt, fast 750 Schicksale und Namen erforscht. Das Ergebnis war nicht nur, aber auch, eine umfangreiche Liste, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufzeigt, was aus den Menschen wurde. Wohin sie flüchteten, wo sie überlebten, wo sie starben.
Acht Verlegungen am Donnerstag
Acht Stolpersteine werde an sechs Orten von Gunter Demnig verlegt:
13.30 Uhr, Düsseldorfer Straße 38, im Gedenken an Anna Lehnkering; 13.55 Uhr, Liebigstraße 27, Johann Hörstgen; 14.15 Uhr, Duisburger Straße 83, Adolf und Johanna Kaufmann; 14.40 Uhr, Winkhauser Weg 82, Fritz Terres; 15.05 Uhr, Bonnstraße 14/1, Paul Meister; 15.30 Uhr, Rheinische Straße 12, für Hermann und Hildegard Haber.
Künstlerische Hommage durch Klaus Geldmacher
Für Hermann und Hildegard Haber wird ein Stolperstein vor dem Haus Rheinische Straße 12 gelegt, der letzten frei gewählten deutschen Wohnadresse des Künstlers. Von dort aus emigrierte er nach Holland. Die Erinnerung an die NS-Opfer hält Klaus Geldmacher mit der Stein-Spende aufrecht – über den heutigen Tag hinaus.
Dazu trägt der Stolperstein bei, aber auch Recherchen und eine Ausstellung, die der international renommierte Lichtkünstler Geldmacher in Erinnerung an den Mülheimer „Maler, Karikaturisten und Lokalpatrioten” plant.
Mehr als 150 Karikaturen, Zeichnungen und Illustrationen Habers wurden in der Mülheimer Zeitung veröffentlicht. „Zwischen 1927 und '29 war Haber dort sozusagen der Haus-Karikaturist”, so Geldmacher, der Habers Spuren in der Stadt und im Exil verfolgte. Geldmacher ist überzeugt: „Das Wirken Habers bedarf einer neuen Bewertung – unter künstlerischen und journalistischen, aber auch kommunalpolitischen und zeitgeschichtlichen Gesichtspunkten.” Als „ersten Schritt” plant Geldmacher „eine Hommage an Hermann Haber”. Zu sehen sein sollen dessen Arbeiten, aber eben auch „themenbezogen zeitgenössische Kunstwerke” von Mülheimer Künstlern. Wenn möglich, will Geldmacher die Austellung im Dezember realisieren. Denn – so schließt sich ein Kreis – dann jährt sich zum 80. Mal die erste Jahresausstellung der Mülheimer Künstler, an der auch Haber 1929 teilnahm.
Arbeitskreis entschlüsselt die Opferbiographien
Gunter Demnig hat Enormes angestoßen. Rund 17 000 seiner Stolpersteine erinnern bundesweit bereits an die Opfer der NS-Dikatur. Tausendfach wurde so ein kleines Denkmal ins Straßenpflaster gesetzt – stets sichtbar dort, wo die Menschen zuletzt freiwillig lebten. In Mülheim liegen 44 Steine an 37 Orten. Acht kommen heute hinzu. Doch Demnig hat noch mehr bewegt: Menschen, die sich mit Geschichte und Biographien der Opfer auseinandersetzen.
Schüler waren es zunächst (und sind es immer noch) in Mülheim, 2006 hat die MIT, die Mülheimer Initiative für Toleranz den Part übernommen, die Aufbereitung fortzuführen. Bei der Basisarbeit hilft das Stadtarchiv, ein offener Arbeitskreis arbeitet die Biographien auf (Kontakt: Jens Roepstorff, 455 42 60). Für weitere 48 Stolpersteine liegen Spenden (95 €) vor.
„Der Verbreitungsgrad, mit dem das alles in der Stadt geschieht, ist bemerkenswert. Es ist spannend, wie sich in jeder Stadt ganz eigene Wege auftun”, findet Dagmar Mühlenfeld. Für die Oberbürgermeisterin „drängt sich die Frage auf, was man noch für Erinnerungsformate schaffen kann”.
Im Dezember werden weitere Stolpersteine verlegt. Wie gehabt: Mit den Spendern, mit Nachbarn, mit überlebenden Angehörigen.