Was ist das für ein feister Hase, der am Anfang wohlig zähnemahlend vor der Bühne sitzt? Und am Ende mit Wollust das Gehirn von Protagonistin Judith verschlingt?
Ein groteskes Schock-Bild hat sich das Theater an der Ruhr für seine Uraufführung „Helden" von Ewald Palmetshofer einfallen lassen: Die Imagination frisst ihre Kinder. Lewis Carroll stand hier Pate genauso wie Psychoanalytiker Jacques Lacan und Ideologietheoretiker Slavoj Zizek.
Das ursprüngliche Skript zu „Helden" sieht das blutdurstige Kuscheltier nicht vor. Dort gibt es nur die Alltagssprache als sichtbaren Spiegel, durch den man wie Alice in das absurde Wunderland schreitet, das man „Gesellschaft" nennt. Palmetshofer hat dabei die Keimzelle „Familie” im Blick: Die Geschwister Judith (Albana Algaj) und David (Fabio Menendez) haben die eindimensionale Welt ihrer Eltern Wolfgang (Klaus Herzog) und Doris (Petra von der Beek) satt – dort gibt es keine Tiefe, nach der sie sich sehnen: Jeder Gedanke wird zerredet, jedes Gefühl zugetextet. Oberfläche schichtet sich auf Oberfläche.
Judith und David aber wollen „explodieren”, das System zerstören. Sie imaginieren alternative Identitäten, Catwoman und Spiderman, und verüben als „politische Aktionen” angekündigte Anschläge. Das Politische ist wiederum nur eine Oberfläche, in dem die Protagonisten Judith und David sich selbst erkennen wollen wie das Kleinkind im Spiegel. Die Ich-Werdung endet in der Zerstörung.
„Helden" ist dennoch ein vielschichtiges Stück über den paradoxen, zerstörerischen Gesellschaftszustand: Wahre Identität kann nur in einer Maske ausgedrückt werden. Mit dem Hasen zieht das Theater an der Ruhr eine Symbolfigur für das Imaginäre wie einen roten Faden durch das Stück. Wie eine Zündschnur. Das mag plakativ wirken, bringt aber einen Schlüsselsatz von Palmetshofer auf den Punkt: „Das politische Begehren ist das Begehren des Politischen.” Oder so könnte man es verstehen: Die Ideologien sind tot – nicht länger ist das Private politisch, das Politische ist privat. Bericht Kultur