Schon oft stand es in der Zeitung, doch jetzt kommt sie wirklich: die elektronische Gesundheitskarte. Die AOK Rheinland/Hamburg hat nach eigenen Angaben mit dem Versand der Karten an ihre Versicherten begonnen.

Bis zum Jahresende ist sie zudem verpflichtet, von ihren Versicherten ein Foto einzuholen, denn das schmückt demnächst die Gesundheitskarte – im Unterschied zur alten Krankenkassenkarte. Neben der Angabe des Geschlechts war es das vorerst dann aber auch schon an Neuerungen durch die neue Karte. „Die richtigen Vorteile kommen erst noch“, so Dieter Hillemacher von der AOK. Die Karte sei „für die Zukunft gerüstet“.

Das bedeutet, dass die Gesundheitskarte irgendwann zusätzliche Funktionen bekommen soll. Auf ihr soll eine elektronische Gesundheitsakte gespeichert werden können oder Notfalldaten wie die Blutgruppe. Außerdem sollen elektronische Rezepte möglich oder der Organspenderausweis integriert werden. „Alles auf freiwilliger Basis und bei exzellentem Datenschutz“, betont Hillemacher.

Eine elektronische Gesundheitsakte helfe, Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Außerdem sehe jeder Arzt sofort, welche Medikamente sein Patient schlucke. Das senkt das Risiko von Wechselwirkungen mit neuen Pillen. Im Endeffekt können die Krankenkassen einiges an Geld sparen. Deshalb sagt Dieter Hillemacher: „Wir begrüßen die Einführung. Aber die Karte muss weiterentwickelt werden, sonst würde sie sich nicht rechnen.“

Es muss nicht elektronisch sein

Seit diesem Monat kümmern sich die Krankenkassen darum, ihre Versicherten mit der neuen Gesundheitskarte auszustatten. In den meisten Arztpraxen können diese, genau wie die alte Krankenkassenkarte, die weiterhin gültig bleibt, auch schon ausgelesen werden. Vereinzelt gibt es aber noch Praxen, in denen die neue Gesundheitskarte noch nicht verwendet werden kann. Bestenfalls bringen Patienten deshalb beide Karten mit, empfiehlt Peter Ramme, Vorsitzender von DocNet. Jedoch: auch ohne die Karte könne ein Patient natürlich behandelt werden. „Schlimmstenfalls müssen die Daten händisch aufgenommen werden.“

Deutlich weniger erfreut über die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sind die Ärzte in Mülheim. Derzeit ist es noch in vielen Praxen so, dass Lesegeräte für die alten Karten auch die Gesundheitskarte auslesen können. „Wenn ein Lesegerät nicht ganz so alt ist, dann geht das“, so Internist Uwe Brock. Für Praxen, die noch kein Gerät haben, das die neue Karte lesen kann, wurde erst kürzlich eine Sammelbestellung über das Qualitätsnetz Mülheimer Ärzte, DocNet, veranlasst, so dessen Vorsitzender Peter Ramme. Doch dass er kein neues Lesegerät braucht, ist für Uwe Brock zunächst einmal der einzige Vorteil bei der Neueinführung.

Theorie und Praxis

„Die Karte kann nicht mehr, kostet aber Milliarden“, so Brock. Die einzige Neuerung, das Foto, spiele im hausärztlichen Bereich keine große Rolle, denn da kenne man die Patienten. Und was die zusätzlichen Funktionen angeht: „Ich hoffe, dass das nie kommen wird“, sagt Brock. Sensible Daten der Patienten dürften nur elektronisch gespeichert werden, wenn der Patient die Hoheit über seine Daten behalte. Eine Speicherung im Netz ist schon fragwürdig.

Von diesem Problem berichtet auch Ramme. Einige Praxen hätten heute noch keinen Internetanschluss, um ihr Praxisnetzwerk vor fremden Zugriffen zu schützen. Doch ans Netz müssen sie spätestens, wenn die Gesundheitskarte online Daten speichert. „So ganz wohl ist uns nicht dabei. Wir sind kein Hochsicherheitstrakt“, so Ramme. Auch Dorothea Stimpel, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, sieht gerade die Zusatzfunktionen sehr kritisch. „Der Aufwand ist erheblich“, sagt sie im Hinblick auf die Speicherung der Patientenbefunde. Eigentlich könne besonders der Ersteintrag solcher Daten nur mit Hilfe einer zusätzlichen Kraft geschehen. Für die fehlt aber das Geld. „Es ist illusionär zu glauben, das ginge so schnell.“

Theoretisch sei es zwar positiv, wenn über die Gesundheitskarte zu ermitteln wäre, welche Medikamente ein Patient beispielsweise nicht nehmen dürfe, aber Stimpel glaubt, dass die Daten vor allem den Krankenkassen dienen. „Die wollen ihre Patienten besser durchleuchten.“ Und man wisse ja nicht so genau, was mit den Daten passiere. Sollten weitere Funktionen kommen, müssen Patienten also hoffen, dass die Sicherheitsvorkehrungen der Karte reichen.