Duisburg. .
Die Psychiatrische Hilfsgemeinschaft sucht Gastfamilien, die psychisch kranke Erwachsene bei sich aufnimmt.
Markus ist schizophren. Mit 20 Jahren erkrankte er, wurde seither von seinen Eltern betreut. Als sie starben, versuchte er es auf eigene Faust, lebte auf Basis seiner Erwerbsunfähigkeitsrente. Und scheiterte. Mit Geld umgehen konnte er nicht, einen Haushalt führen auch nicht. Bevor die Schulden zu hoch wurden, wandte er sich an die Psychiatrische Hilfsgemeinschaft Duisburg (PHG).
Inzwischen lebt Markus bei einem Gastvater. Der Rentner ist geschieden, hatte reichlich Platz in seinem Häuschen - und jetzt einen regelmäßigen Partner zum Schach spielen und zum Bundesliga gucken. Den Küchendienst teilen sie sich. In der Wirtschaft würde man das eine Win-Win-Situation nennen: Beide Seiten profitieren.
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Die Idee, erwachsene Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen in Gastfamilien unterzubringen, ist alt. Auf dem Land wurden diese Menschen oft als Hilfsarbeiter auf Bauernhöfen beschäftigt, Job mit Familienanschluss. Auch heute gibt es auf dem Land noch viele Gastfamilien für psychisch Kranke, weil das Netz an Wohnheimen dünner ist, weil die Häuser größer sind. Der Landschaftsverband Rheinland hat jetzt ein Pilotprojekt aufgelegt, mit dem dieses Prinzip in neun Städte übertragen werden soll. Die PHG betreut Duisburg und Mülheim.
Gastfamilien müssen neben einer großen Portion Idealismus vor allem ein freies Zimmer anbieten. Ob es Einzelpersonen, Paare oder Familien sind, spielt keine Rolle. Eher die Frage, ob man bereit ist, sich um einen besonderen Menschen zu kümmern, der deutlich mehr ist als nur Untermieter. Neben der Basisversorgung mit Mahlzeiten und sauberer Wäsche sind auch Unterstützung etwa beim Ordnung halten oder im pflegerischen Bereich möglich. Gemeinsam einkaufen, in Haushaltspflichten einbinden, Lebensfertigkeiten lehren, die die Gäste selbstständiger werden und womöglich irgendwann auf eigenen Füßen stehen lassen. „Das ist ja kein Hotel“, betont Miriam Reimann, die als Diplom-Sozialpädagogin und Familien-Therapeutin das Projekt koordiniert.
Mögliche Gäste leiden an Depressionen, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen. Wer akut suchtgefährdet ist oder in der Vergangenheit fremdgefährdend aufgetreten ist, hat keine Chance. „Die meisten sind entgegen der Klischees eher zurückgezogen, leise und isoliert“, beschreibt Reimann. Sie versucht, möglichst passende Deckel für die Töpfe zu finden. Ist die Gastfamilie berufstätig, wird auch ein Klient gesucht, der etwa in einer Werkstatt beschäftigt ist. Auch andere Vorlieben werden berücksichtigt. Ob Reimanns Instinkt richtig war, können beide Seiten bei einem 14-tägigen Probewohnen testen. Entlohnt wird das Engagement mit 944 Euro monatlich inklusive Mietanteil. Sechs Wochen Urlaub steht den Gastfamilien zu, „aber viele entwickeln so eine enge Beziehung, dass sie ihren Gast auch mit in den Urlaub nehmen“, beschreibt Reimann.
Aktuell gibt es in Duisburg zwei Gastfamilien, und die laufen gut. Um das System stärker zu etablieren, muss Reimann auch Berufskollegen überzeugen, damit sie ihr geeignete Klienten vermitteln. Das ist schwierig: „Wer täglich mit psychisch Kranken zu tun hat, kann sich kaum vorstellen, dass sich jemand freiwillig so eine Verantwortung aufbürdet.“ Dabei gibt es sie, die Win-Win-Konstellationen.