Mülheim. .
Die Hilferufe aus der Wirtschaft kommen regelmäßig: Es fehle an Fachkräften, zugleich sei es schwieriger, geeignete Auszubildende zu finden, die Zahl qualifizierter Bewerber sinke. Solche Sätze wird man von Ferdinand Walbaum nicht hören. Für den Ausbildungsleiter am Mülheimer Siemens-Standort ist vielmehr die Wirtschaft in der Pflicht, auf die Gegebenheiten zu reagieren.
Das Ausbildungszentrum im Siemens Techno Park stand Samstag allen Interessierten offen. Eine Werbeveranstaltung für Bewerber ist der Tag der offenen Tür. Deshalb rotiert auch die „Fünfachs-Simultan-Fräsmaschine“. Für Technikbegeisterte ist die ein Highlight, für Ausbildungsleiter Ferdinand Walbaum ein Beweis dafür, dass „wir viel Geld in die Ausbildung stecken“. Denn auch ein großer Konzern wie Siemens „spürt den Konkurrenzkampf“ und muss etwas tun, um „eine Nasenlänge voraus zu sein“.
2010 wurde die Ausbildung der Siemens AG deshalb im Bereich „Siemens Professional Education“ (SPE) zentralisiert. Vom Mechatroniker bis zum Master of Engineering reicht das Angebot in Mülheim; auch Kaufleute und Köche werden ausgebildet. Werkhalle, Forschung, Verwaltung, Kantine – das Großunternehmen vereint verschiedene Abteilungen, die verschiedene Anforderungen stellen.
„Wir brauchen Mitarbeiter für jede Ebene“, erklärt Walbaum und bricht eine Lanze für Hauptschüler: „Wir brauchen Facharbeiter, die lange bei uns bleiben, die ihre Erfahrung weitergeben.“ Noten seien da fast zweirangig: „Es ist nicht so, dass sich bei uns 8000 Leute bewerben, und davon nehmen wir nur die Besten.“
Motivation und Leistungsbereitschaft zählten und die Qualifikation für ein bestimmtes Feld. Die Azubis setzen sich laut Ferdinand Walbaum zu je einem Drittel aus Haupt-, Realschülern und Abiturienten zusammen.
Das zeigen auch die vielen Kooperationen: mit den Fachhochschulen Ruhr West und Gelsenkirchen, mit der Dümptener Hauptschule, der Realschule Mellinghofer Straße, dem Karl-Ziegler-Gymnasium und dem Berufskolleg Stadtmitte. Es gibt eigene Qualifizierungsmaßnahmen, Studienabgänger- und Benachteiligtenprogramme. Im Mülheimer Nachwuchskreis fördert man Jung-Ingenieure mit Potenzial, und Walbaum verweist gleich auf den Betriebskindergarten, wenn er über Maßnahmen spricht, mit denen man Frauen für technische Berufe gewinnen möchte. In der Einrichtung selbst werden die Kinder dann spielerisch an Technik herangeführt
Angebote und Vielfalt, die wohl nur Großkonzernen möglich sind – dessen ist sich der Ausbildungsleiter bewusst: „Es ist wichtig, die Klein- und Mittelindustrie mitzunehmen – immerhin liefern sie uns ja zu.“ So sind von den 160 Jugendlichen, die im September ihre Ausbildung begannen, „nur“ 100 Azubis von Siemens Mülheim. Der Rest kommt aus Duisburg, aber auch von anderen Unternehmen des Techno Parks.
Einbrüche bei den Bewerberzahlen verzeichnet Siemens bisher nicht. Auch über die Qualität kann Walbaum nicht klagen: „Lernstandserhebungen und Zentralabitur haben positive Auswirkungen auf die Qualitäten der Schüler. Man merkt, dass ein gesunder Konkurrenzkampf das Geschäft belebt.“ Überall.
Migration als Vorteil
In der Siemens-Lehrwerkstatt arbeiten Menschen aus 22 verschiedenen Nationen. Man müsse endlich die Qualitäten von Migranten nutzen, sagt Ferdinand Walbaum, und nennt die „Zweisprachigkeit“ als Beispiel: „Für ein internationales Unternehmen ist Migration nur von Vorteil.“