Mülheim. Dem Mülheimer Finanzamt fehlen Azubis. Viel zu wenige Bewerbungen sind bisher eingegangen.
Dem Mülheimer Finanzamt fehlt der Nachwuchs: Acht Stellen – fünf im Gehobenen Dienst und drei im Mittleren Dienst – sind an der Wilhelmstraße ab Herbst 2012 zu besetzen, doch nur 18 Jugendliche haben sich bisher beworben. Anfang dieses Jahres begann das Mülheimer Team deshalb mit verschiedenen Maßnahmen für ihre Ausbildungen zu werben – gebracht hat es bisher nicht viel. Und nach den Herbstferien starten die Bewerbungsgespräche.
Über Marketingstrategien mussten sich Finanzbeamten bisher keine Gedanken machen. „Die Arbeit“, sagt Mülheims Ausbildungsleiter Richard Oeß, „kommt immer. Die Leute kommen immer.“ Sie haben auch keine Wahl. Anders sieht es bei der Berufs-Wahl aus; da kommen die Jugendlichen eben nicht zum Finanzamt. Gründe fallen Oeß wenige ein. Unwissenheit, schätzt er, könne einer sein: Vielen wäre wohl nicht klar, dass das Finanzamt eine Landesbehörde sei. Sich bei der Stadt zu bewerben, nützt da nichts. Und: „Wir haben mit einem schlechten Image zu kämpfen“, räumt Oeß ein, betont aber, dass man keine „verstaubte Behörde“ sei. „Moderne Arbeitsplätze“ erwähnt er da und eine zunehmend „aktenlose Arbeit“. Selbst die Bewerbung laufe jetzt online.
In diesem Jahr begannen Oeß und sein Team, auf Ausbildungsmessen einen Stand aufzuschlagen. Doch auch da stießen die Finanzbeamten auf gemischtes Interesse: Gymnasiasten und Gesamtschüler, die mit Fachhochschulreife in den Gehobenen Dienst gehen könnten, lassen die Stände links liegen. Desinteresse, das Richard Oeß nicht nachvollziehen kann: Natürlich, die (duale) Ausbildung sei nicht einfach, man erwarte von den Auszubildenden Leistungsbereitschaft, aber am Ende warte ein sicherer Job. Und die Vergütung sei gut: 925 € monatlich verdienen Azubis im Mittleren Dienst, 975 € im Gehobenen Dienst. „Ich verstehe es nicht“, sagt Richard Oeß.
Heinz Katerkamp kann die Situation schon eher nachvollziehen: Der Vorsitzende des Bezirksverbands Westfalen-Lippe der Deutschen Steuer-Gewerkschaft ist sicher, dass das Argument „sicherer Arbeitsplatz“, das Oeß als klaren Vorteil wertet, nur noch bedingt zieht. Denn mit dem festen Job gehe ein festes Gehaltsgefüge einher: „Es ist so, dass die jungen Leute gucken: Wo kann ich besser verdienen?“ Da entwickeln sich private Dienstleister immer mehr zur Konkurrenz. Seien die Bewerbungen für den Gehobenen Dienst im Landestrend anders als in Mülheim zwar durchweg zufriedenstellend, sehe das bei Anzahl und Qualität der Bewerbungen für den Mittleren Dienst vor allem in städtischen Gebieten anders aus. „Da sind wir unzufrieden“, sagt Katerkamp. Viele Realschüler würden lieber weiter zur Schule gehen, Zusatzqualifikationen erlangen, um später mit besseren Aussichten auf den Arbeitsmarkt zu wechseln – und um so letztlich mehr zu verdienen. „Das Potenzial geht uns verloren.“
Ausdrücklich begrüßt Katerkamp Aktionen, wie sie nun in Mülheim anlaufen: Oeß hat etwa weiterführende Schulen angeschrieben und ins Amt eingeladen. Bisher reagierte aber nur die Realschule Broich und meldete sich zum Besuch an. Auch deshalb lädt das Amt am 24. Oktober alle zum „Schnuppertag“ (Anmeldung: 3001 -2224 oder -2377).
Die acht freien Ausbildungsplätze in Mülheim werden auf jeden Fall besetzt, notfalls mit Bewerbern aus Oberhausen und Duisburg. Doch Oeß wünscht sich Mülheimer im Finanzamt der Stadt, denn er ist sich sicher: „Eine Ausbildung bei uns ist eine Chance.“