Mülheim. .
Die „alte Tante SPD“, Durchschnittsalter 60 plus – und von hinten kommen die jungen Piraten. Auffrischung tut dringend not, das weiß man auch an der Mülheimer Basis, wo die Sozialdemokraten vor drei Jahren sich eine Verjüngungskur verschrieben haben. Sie soll am Montag fortgesetzt werden, wenn beim Unterbezirksparteitag mit Alexander Stock (30) und Constantin Körner (27) zwei Nachwuchstalente an die Spitze streben und sich um den stellvertretenden Parteivorsitz bewerben.
Junge Leute, so Körner, seien sehr wohl für Politik zu begeistern, und das nicht nur von Grünen oder Piraten. Die Themen müssten nur stimmen, aber auch die Zustimmung. „Junge Fußballer bekommen jede Menge Aufmerksamkeit und Anerkennung. Und junge Politiker?“
Mit 18 Jahren trat Körner in die SPD ein: sozial, links und Schröder – das passte damals dem Schüler Constantin, der mit einer Schreibwerkstatt gegen Rechts erste politische Akzente in seinem Leben setzte. Er kam in den Ortsverein Stadtmitte, auch das passte, weil er sich als „Stadtmitter“ fühlt. Er fühlte sich aufgenommen, bekam Anerkennung, stieg auf. Als Ortsvereinsvorsitzender ist er heute quasi „Chef“ der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die dort ihre Mitgliedsheimat hat.
Basisarbeit ist für Körner das A und O der Politik, hier könne sie am besten zeigen, dass sie sich für Menschen einsetze. Erfolge seien schnell sichtbar, und wenn es eine Rolltreppe ist, die man mit hartnäckigem Nachhaken wieder zum Laufen bringt. Er studiert Jura, das Erste Staatsexamen naht. Medienrecht ist sein Gebiet und sein Ziel heißt Anwalt, nicht Außenminister.
Stärker möchte er sich für die Stadtplanung engagieren, auf der Suche ist er nach pfiffigen Ideen, gerade deshalb fährt er auf Leute wie den Designer Rokitta und dessen ICE auf der stillgelegten Bahntrasse ab. Die sich zur Stadt öffnende Ruhrpromenade, die Sanierung des städtischen Haushaltes und ein vernünftiges ÖPNV-Angebot hält der 27-Jährige für die entscheidenden Aufgaben der Lokalpolitik in den nächsten Jahren.
Warum will er stellvertretender Parteivorsitzender werden? Er möchte die direkte Bürgerarbeit verbessern, ausweiten und sieht in den politischen Werkstätten einen guten Anfang. Er kandidiert, weil er der SPD als Volkspartei sehr wohl eine Zukunft gibt, weil er den Generationenmix vor Ort auffrischen will – und weil ihm auch viele gesagt hätten: Constantin mach’ du es!
Angst vor den Piraten? Klares Nein. „Überbewertet.“ Aber sie kämen erfrischend daher. Dass die Piraten als die Netzwerk-Politiker gelten, will Körner nicht gelten lassen: Neuerdings könne man auch in der SPD online bei allen Anträgen bundesweit mitarbeiten. Da staunt er selber über die „alte Tante“.
Sein Gegenpart Alexander Stock (30) besuchte ebenfalls die Luisenschule in Mülheim, studierte dann Politikwissenschaft und arbeitet heute als Landtags-Referent für Wohnungs- und Frauenpolitik in Düsseldorf. Seit mehreren Jahren wirkt er bereits als Beisitzer im Vorstand mit.
Sowohl als Politikwissenschaftler auch als Politiker befasst sich Stock mit Mitgliederfragen: Wie betreue ich sie, wie halte ich sie, vor allem wie gewinne ich sie. Daran möchte er als Vorstandsmitglied intensiv wirken: „2014 scheidet etwa die Hälfte der Ratsmitglieder aus Altersgründen aus, schon heute müssen wir zusehen, diese Lücken zu schließen.“ Bauchschmerzen bereitet ihm der sehr geringe Frauenanteil in der Mülheimer SPD. Von 20 Ratsmitgliedern sind mal gerade drei weiblich. „Das ist nicht vorbildlich.“
Ein Mentoring-Programm, dass er mit entwickelt hat, soll den Nachwuchs fördern: Jedes Ratsmitglied, jeder Bezirksvertreter soll ein Jahr lang ein junges Mitglied „an die Hand nehmen“, in die Fraktion- und Parteiarbeit einführen. Appetit auf Politik machen, so der Vorschlag für den Parteitag.
Stock hatte mit 16 Appetit auf SPD. Er fand mehr soziale Gerechtigkeit für erstrebenswert und weitere Kohl-Jahre weniger. Dass jeder eine Chance zum Aufstieg bekommen sollte, dafür lohne es sich nach wie vor zu kämpfen, sagt er und ist froh, dass die SPD die Studiengebühren gekippt hat. In Mülheim, so Stock, müsse sich die SPD vor allem für drei Dinge stark machen: Innenstadt, Infrastruktur und für bezahlbaren guten Wohnraum.