Mülheim. .

Die Gewerkschaft Verdi stellt die Geschäftsführung des Heißener Edeka-Marktes Kels öffentlich an den Pranger: Sie versuche mit einer Flut von sechs Abmahnungen eine Mitarbeiterin loszuwerden, die sich kurz zuvor mit Hilfe der Gewerkschaft gegen unbezahlte Überstunden und Lohnverzicht gewehrt hatte. Geschäftsführer Volker Kels weist die Vorwürfe zurück.

Besagte Abmahnungen beziehen sich auf vermeintliche Pflichtverstöße allein im Zeitraum 1. bis 11. September. Für Verdi-Sekretär Günter Wolf liegt der Schluss nahe: „Hier bereitet der Arbeitgeber eine Kündigung vor.“ Gegen eine offenbar unliebsam gewordene langjährige Beschäftigte.

Die Ursache für die Flut an Abmahnungen sieht Wolf im Widerstand der Frau gegen „einen Berg“ unbezahlter Überstunden und Lohnverzicht. Letzteres begründet darin, dass sie beständig 40 Stunden arbeiten habe müssen, aber nur 37,5 Stunden bezahlt bekommen habe. Verdi hatte diesbezüglich Ende August beim Arbeitgeber schriftlich Abhilfe gefordert, auch mit dem Hinweis, dass der Arbeitgeber aufgrund einer Schwerbehinderung der 47-Jährigen eine besondere Fürsorgepflicht habe. Dem, so Geschäftsführer Volker Kels, sei man durch Änderung der Dienstpläne „nach ihren Wünschen“ auch sofort nachgekommen. Die an der Kasse eingesetzte Mitarbeiterin habe nun innerhalb ihrer Arbeitszeit ausreichend Zeit, Vor- und Nacharbeiten zu erledigen.

Gleichwohl gab sich Kels im WAZ-Gespräch enttäuscht, dass die Mitarbeiterin sofort mit der Gewerkschaft ins Haus gefallen sei, ohne zuvor das Gespräch zu suchen, wie es gepflegte Umgangsform im Familienbetrieb sei. Er bestätigte, dass die Marktleitung nach dem Schreiben von Verdi den Arbeitsbereich der 47-Jährigen unter die Lupe genommen habe. „Dabei wurde einiges gefunden, was nicht in Ordnung war.“ Nach juristischer Beratung habe das Haus im Bündel Abmahnungen zu einzelnen vermeintlichen Verstößen verschickt. Zweck sei die „Abstellung der Missstände“, eine Kündigungsabsicht gebe es bis heute nicht.

Verdi-Mann Wolf sieht das anders. Die zeitliche Abfolge spreche für eine „Retourkutsche des Arbeitgebers“ und den Versuch, die Mitarbeiterin loszuwerden. Wolf spricht von „Bagatellverstößen“. So wird der Mitarbeiterin in einer Abmahnung zur Last gelegt, „nicht der Freundlichkeit und der Zuvorkommenheit unseres Unternehmens“ entsprochen zu haben. „Sorgen Sie bitte dafür, dass sich niemand hinten anstellt“, soll sie einer Kundin gesagt haben, als sie ihre Kasse schließen wollte. Nicht unfreundlich, so Verdi.

Des Weiteren wird der Mitarbeiterin vorgeworfen, Ware mit überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum nicht rechtzeitig aus den Regalen geräumt zu haben. Einmal waren es laut Verdi neun Marzipanriegel, ein anderes Mal zwei andere Süßwaren. Bei der Fülle an Waren im Zuständigkeitsbereich der 47-Jährigen nicht nur eine Marginalie, so Verdi, sondern wohl auch durch Stress begründet. Keine unbekannte Masche, so Wolf. „Wenn ich jemanden auf dem Kieker habe, gebe ich ihm so viele Aufträge, dass er sie gar nicht alle erfüllen kann.“

Außerdem, so Wolfs Worte, werde der Frau vorgeworfen, „dass sie tatsächlich mehrfach pünktlich in den Feierabend ging“. Die Marktleitung reklamierte, dass Waren noch nicht verpackt waren. Und dann war da noch dieser „Verstoß“, der eine Abmahnung nötig erschienen ließ: Die Mitarbeiterin hatte nach eigenem Bekunden übersehen, dass eine Schokoladensorte noch auf Lager war. Sie bestellte neue . . . Für Verdi eine weitere Bagatelle. Schokolade halte sich schließlich.

Fraglich sei nun, ab Edeka die Mitarbeiterin halten wolle. Bei einer Kündigung sieht Verdi gute Chancen vor dem Arbeitsgericht.

Verdi berichtet von einer weiteren, in Teilzeit beschäftigten Mitarbeiterin des Edeka-Marktes, die beklage, dass ihr für den gleichen Lohn mehr Stunden abverlangt würden. Volker Kels als Geschäftsführer des Edeka-Marktes bestreitet dies: „Wir haben nicht zu Mehrarbeit aufgerufen.“ Verdi kündigt im Fall der 47-Jährigen hingegen an, eine finanzielle Abgeltung der Überstunden fordern zu wollen.