Bei Chemie denkt man an alles, nur nicht an Luft. Chemiker Ferdi Schüth vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung tut es. Und er lässt es nicht beim Denken
Er experimentiert vor den Augen von 28 Siebtklässlern der Gustav-Heinemann-Schule, die besonders erfolgreich am naturwissenschaftlichen Wettbewerb ihrer Schule teilgenommen haben. 78 Prozent Stickstoff, 21 Prozent Sauerstoff, ein Prozent andere Edelgase schreibt er die Zusammensetzung unserer Luft an die Tafel des Chemieraumes. Doch dann legt er die Kreide schnell zur Seite und geht an den Experimentiertisch.
Da fühlt er sich sichtlich wohl und lässt es in 45 Minuten, die wie im Flug vergehen, kräftig dampfen, brennen und knallen.
Mal füllt er einen ausgehöhlten Mohrenkopf mit flüssigem Sauerstoff. Mal lässt er ein Gummibärchen bei 500 Grad in Kaliumchlorat schmoren und entfacht mit seinem Bunsenbrenner einen effektvollen Feuerzauber, der an Weihnachten und Silvester erinnert. An einem Nebelmaschine in der Disco oder bei einem Rockkonzert fühlen sich dagegen viele Schüler bei seinen Experimenten mit Stickstoff und Kohlendioxid erinnert. Immer wieder wechselt er in seinen Versuchen die Aggregatzustände und zeigt, dass die Elemente in unserer Luft sowohl gasförmig als auch flüssig vorkommen können.
Besonders gut kommt bei den Schülern sein Versuch mit dem Edelgas Helium an. Einmal einatmen und und Schüths Stimme hört sich wie die von Micky Maus an. Wie eine auslaufende Schallplatte klingt der Professor dagegen, nachdem er Schwefelhexaflorid eingeatmet hat. „Bitte zu Hause nicht nachmachen“, sagt Schüth, und hat die Lacher auf seiner Seite. Zum guten Schluss lässt er es mit einem Knallgasxperiment noch mal richtig krachen. „Bitte die Ohren zuhalten und den Mund öffnen, damit die Trommelfelle nicht platzen“, mahnt er vorher seine jungen Zuhörer. Die Schüler folgen seinen Experimenten wie einem spannenden Film und kommentieren sie. Auch bei Zwischenfragen des Professors sind sie um eine Antwort nicht verlegen. „Das war spannend und hat Spaß gemacht, weil hier mehr experimentiert wurde als im normalen Chemieunterricht“, sind sich die Siebtklässler Jens Mauritz Laudamus, David Rimpler, Lara Wittenberg und Jessica Mierswa nach der etwas anderen Chemiestunde mit Professor Schüth einig.
„Ich liebe solche Schauexperimente, die man so natürlich nicht im normalen Chemieunterricht machen kann und die ich auch so nicht im Institut mache, die aber bei Schülern für Aha-Effekte sorgen und die Faszination für Chemie und andere Naturwissenschaften wecken können“, bilanziert der Naturwissenschaftler den Mehrwert seines Ausfluges in die Schule. „Motivation und Spaß an den Naturwissenschaft zu wecken und aufrechtzuerhalten“, sind auch für Chemielehrer Volker Smit und Biologielehrerin Katharina Kors die entscheidenden Ziele des naturwissenschaftlichen Wettbewerbs für die Siebtklässler, auch wenn beide wissen, dass sie in ihrem Schulalltag weder über die Materialien noch über die Geräte eines Max-Planck-Institutes verfügen. Doch Smit kennt nicht wenige Schüler, die insbesondere durch die Experimentierstunde mit Schüth dazu motiviert wurden, ihr dreiwöchiges Betriebspraktikum während der Klasse 9 beim Max-Planck-Institut zu absolvieren.