Mülheim. .
Mit Karin Neuhäusers Inszenierung von Shakespeares „Was ihr wollt“ hat das Theater an der Ruhr eine Spielzeiteröffnung erlebt, die ihm neben sehr positiven Besprechungen im überregionalen Feuilleton auch eine starke Resonanz beim Publikum bescherte.
Welche Akzente in der kommenden Spielzeit noch gesetzt werden sollen, stellten gestern Roberto Ciulli, Helmut Schäfer und Sven Schlötke vor. Ein Überblick in Schlaglichtern.
Ein besonderes Ereignis verspricht die Zusammenarbeit mit Jo Fabian zu werden. Der 51-Jährige, der gerade mit seiner Deutung von Hauptmanns Webern dem neuen Theater in Halle einen furiosen Saisonstart beschert hat, ist ein Multitalent zwischen darstellender und bildender Kunst, der auch komponiert, mit Tanzelementen und Video arbeitet und für Aufsehen sorgt und wiederholt zum Theatertreffen eingeladen wurde. Sven Schlötcke kennt Jo Fabian noch aus seiner Zeit am Theaterhaus in Jena, wo Fabian mehrfach inszenierte. Mit dem Jungen Theater wird er nach Motiven von Thomas Manns Novelle Mario und der Zauberer ein Stück entwickeln, das die Spannung zwischen Willensfreiheit und Manipulation thematisiert, wie Schlötcke ankündigt.
„Dabei wird es nicht darum gehen, den Text nachzuerzählen, sondern wir werden einen ganz eigenen Zugang zu dem Thema entwickeln“, kündigt er an. Jeder gehe davon aus, selbstbestimmt zu handeln, doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Neurobiologie ließen an der Vorstellung des Menschen als autonomes Subjekt zweifeln. „Aber sind wir verantwortlich für unser Tun, wenn wir nicht viel mehr als eine programmierbare Oberfläche sind?“ Premiere von Es Brennt am 9. November. Titel und Datum deuten darauf hin, dass es auch um Faschismus geht.
Die Kraft der Einbildung
Ein Höhepunkt der Spielzeit soll der neue Peter Handke werden, der vom Hamburger Thalia Theater kürzlich bei den Salzburger Festspielen gezeigt wurde. Das Theater an der Ruhr kann „Immer noch Sturm“ als erste Bühne in NRW inszenieren. Die literarische Qualität dieses Textes, eine Familienchronik in Kärnten, die auch den Widerstand der Slowenen gegen den Faschismus thematisiert, wurde allseits gelobt und auch Schäfer spricht von der „hohen Kunst der Einfachheit“. Erinnerungen durchmischen sich mit Geträumten und beschwören die Kraft der Poesie. Premiere April 2012.
Um die Kraft der Einbildung geht es auch im zweiteiligen Pirandello-Projekt. Die Vielfalt der Imagination sei das Besondere des aus Sizilien stammenden Nobelpreisträger (1867-1936). Ohne sie wäre das Leben ärmer. Im Zentrum stehen Menschen, denen die Fähigkeit der Selbstbestimmung fehlt und die von ihren Trieben und Emotionen geleitet werden. Premiere hat zunächst entgegen der ursprünglichen Planung bereits am 19./20. Oktober Kaos, das nach Motiven aus Novellen entwickelt wird. Es basiert ausschließlich auf Improvisationen und wird fast ganz ohne Text und ohne zusammenhängende Story auskommen. Das Verbrechen folgt aus technischen Gründen erst am 23./24. November.
Bei den Theaterlandschaften fühlt sich das Ensemble am Puls der Zeit mit dem Schwerpunkt Arabien. Am letzten Oktoberwochenende kommen aus der Region im politischen Umbruch Produktionen aus Jordanien, Syrien/Irak und Palästina. Wie sich die Lage in Syrien entwickelt, scheint derzeit noch völlig offen und auch die Zukunft von Jordanien liegt in der Schwebe. Neben den Vorstellungen wird es auch ein Symposium mit der evangelischen Akademie geben, die nach Bad Godesberg gezogen ist. Teilnehmen wird unter anderem Jörg Armbruster, ARD-Korrespondent im Nahen Osten.
Ein besonderes Augenmerk wird das Theater auf die Szene in Istanbul legen. Den Blick in die Türkei habe das Theater schon in den 80er Jahren geworfen, doch jetzt soll dies nicht in Form eines Festivals geschehen, sondern ab Dezember im regelmäßigen, sechswöchigen Turnus. Dann werden zeitgenössisches Theater und Musik am Raffelberg zu erleben sein.