Mülheim. .

Vier Dezernenten plus eine Dezernentin – die Politik unter Sparzwängen befand, dass auch an der Spitze gekürzt werden sollte und beschloss: Eine(r) muss gehen, das spart jährlich etwa 70 000 Euro.

Wer und wann – das ließ man im Zuge der Haushaltssanierung offen. In der kommenden Woche am 6. Oktober wird der Rat Farbe bekennen müssen: Die OB schlägt die Bau- und Planungsdezernentin Helga Sander nach 16 Jahren zur Wiederwahl vor – für weitere acht Jahre. Helga Sander (51) will gerne an der Spitze des Technischen Rathauses bleiben – und muss zittern. Es wird knapp für sie.

Die SPD hat sich frühzeitig positioniert. Fraktionschef Dieter Wiechering, der als Vorsitzender des Planungsausschusses mit ihr seit Beginn zu tun hat, zieht unterm Strich eine zufriedene Bilanz. Als „konstruktiv“ stuft sie der planungspolitische Sprecher der SPD, Claus Schindler, ein.

Sie macht den Job seit 16 Jahren

Bauen, Planen, Umwelt – dafür ist die Dezernentin zuständig, aber auch für die Gebührenaufstellung, wo man sich selten Freunde macht, selbst im Streit um Marktstände auf der Schloßstraße musste sie in die Bütt, neben Ruhrbania, neben der Entwicklung der Fachhochschule, neben der Neuordnung der verwirrenden und zu recht oft kritisierten Verkehrsführungen, neben den vielen kleinen Wohnbauprojekten, die in Mülheim schon mal in einer Bürgerinitiative enden, neben der Bekämpfung der Innenstadtkrise und dem Wunsch, „Innovation City“ zu werden.

Die Kandidaten

Ulrich Ernst: „Mülheimer ist, wer hier wohnt und sich dieser Stadt zugehörig fühlt, ganz gleich, ob arm ob reich, jung oder alt, mit oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft, mit oder ohne Behinderung“, sagt Ulrich Ernst. Er ist bis 31. August 2016 gewählt. Zuständig ist er unter anderem für das Sozialamt, das Gesundheitsamt und den Sport-Service.

Peter Vermeulen: Seit Mai 2006 ist er Dezernent und bis zum 30. April 2014 gewählt. Innovative Kindergärten, projektfreudige Schulen, weltoffene Jugendarbeit, kulturelle Bildung und inspirierende Kulturangebote hat er sich als Ziel für Mülheim gesetzt. Vermeulen ist für Schule, Kultur, Kinder und Jugend in der Stadt zuständig.

Frank Steinfort:„Die Sicherheitslage in der Stadt ist gut, aber wir dürfen uns deshalb nicht zurücklehnen.“ Das sagt Dr. Frank Steinfort, Stadtdirekt und Dezernent für die Bereiche Recht, Ordnung, Personal. Er ist auch zuständig für Brandschutz, Rettungsdienst und Zivilschutz in Mülheim. Gewählt ist er bis 10. Juli 2015.

Uwe Bonan: Er ist seit 2006 Kämmerer und versucht seitdem den Spagat zwischen Einsparungen und Erhalt des Lebenswerten in Mülheim. Bonan, der aus Dortmund einpendelt, ist bis zum 1. März 2014 gewählt. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Beteiligungs- und Finanzsteuerung eigenbetriebsähnlicher Einrichtungen.

Helga Sander: „Ich wünsche mir eine fortschrittliche und lebendige Stadt, in der Menschen gerne leben und arbeiten“, sagt Helga Sander. Sie arbeitet seit 16 Jahren als Dezernentin in Mülheim, gehört zu den Grünen, und ihre aktuelle Wahlzeit endet am 10. Februar 2012. Mülheim ist für sie ein bedeutender Wohn- und Wirtschaftsstandort.

Kein anderes Dezernat, und das gilt auch für andere Städte, wirkt so tief in den Alltag der Bürger hinein. Und hinter vorgehaltener Hand sagt mancher Politiker und Verwaltungsvorstand: ein verdammt schwieriger Job, den sie da seit 16 Jahren macht. „Und sie macht ihn fachlich gut“, betont der Vorsitzende des Umweltausschusses, Hubert Niehoff, der wie Sander den Grünen angehört. Dabei waren sie keineswegs immer einer Meinung. „Sie hat eine Menge für die Stadt erreicht“, sagt Niehoff und nennt auch Ruhrbania, das für viel böses Blut anfangs sorgte, als eine grüne Dezernentin für Beton Bäume fällte. Heute hoffen viele: Es wird gut am Ruhrufer, wenn der Nebel sich mal verzieht.

Auch bei der Verkehrsführung, an der sich Sander und ihr Team abarbeiten, um politische Fehlentscheidungen vergangener Zeiten zu beheben, bekommt sie durchaus Pluspunkte, auch wenn viele Bürger immer noch unzufrieden in Sachen Verkehr sind. Nicht immer, gibt Niehoff zu bedenken, habe Sander das umsetzen können, was sie für das Beste hielt. „Sie hatte Mehrheiten zu beachten.“

MBI sprechen sich klar gegen die Dezernentin aus

Niehoff hebt sich mit seinen Argumenten ab von den anderen Grünen, die rein finanziell argumentieren: Sie wählen Helga Sander wieder, weil eine Abwahl die Stadt teurer käme. Sie hätte dann Anspruch auf 65 Prozent des Gehaltes bis zum 65. Lebensjahr.

Klar gegen die Dezernentin sprechen sich die Mülheimer Bürgerinitiativen aus. Sie halten sie mit Blick auf Ruhrbania, Gebühren, die Entwicklung von Speldorf für keine gute Wahl. Sie habe, so sieht es Lothar Reinhard, der Stadt mehr geschadet als genützt. Auch die FDP tendiert zu einer Nicht-Wiederwahl. Die CDU lehnt sie ab – aus sachlichen und fachlichen Gründen, wohl auch, um nicht den Dezernenten Peter Vermeulen mit CDU-Parteibuch zu gefährden. Er wäre mit der nächste Dezernent, der 2014 zur Wiederwahl ansteht, fast zeitgleich mit Kämmerer Uwe Bonan (SPD). Es geht letztlich auch um Parteipolitik.

Kommt es bei Helga Sander am Ende also auf die Linken an? Gabriele Rosinski will für sie stimmen. Bei Wir-Linke hat man sich noch nicht entschieden. So richtig zufrieden ist man dort mit keinem der fünf Dezernenten. Achim Fänger, der Fraktionschef, sagt aber eines: „Es wäre Blödsinn, dieses für eine Stadt wichtige Dezernat aufzuteilen.“ Damit trifft er im Grunde das, was das Personal- und Organisationsdezernat fachlich vertritt: Aufteilung von Bauen, Planen und Umwelt ist unsinnig. Im Gegenteil: Es könne viel Sand ins Getriebe kommen – ohne Sander.