Bei der Eröffnungsveranstaltung zur Interkulturellen Woche waren inhaltliche Anstöße gefragt. Vortrag und Diskussion im Theater an der Ruhr gestalteten sich ausgesprochen interessant.

Es gibt vielversprechendere Methoden, sein Publikum zu fesseln, als die von Prof. Dr. Dirk Halm. Es werde jetzt „ein bisschen soziologisch“, eröffnete der Wissenschaftler vom Zentrum für Türkeistudien der Uni Duisburg-Essen am Freitagabend den knapp 200 Gästen im Theater an der Ruhr. Doch was er über die Wirklichkeit der Integration zu sagen habe, lohne die Mühe. Halm behielt recht, befanden die Zuhörer zwei Stunden später.

Der Vortrag von Dr. Dirk Halm und die Diskussion darüber bildeten den Auftakt der Interkulturellen Woche 2011. Und diesmal sollte es nicht allein ein Fest vieler sein, was es natürlich immer noch ist, sondern auch der Versuch, inhaltliche Anstöße zu geben. Was in der Welt der Wissenschaft dabei kaum noch Stirnrunzeln zeitigt, entfaltet auf offener Bühne ganz andere Wirkung.

Zwei wesentliche Erkenntnisse unterbreitete Halm auf Basis gesicherter Untersuchungen. Die erste: Zuwanderer, die in Mülheim ein Fünftel und bei Kindern die Hälfte der Gesellschaft bilden, grenzen sich nur zu einem geringen Teil von der Gesellschaft ab, die sie aufnimmt; leben also unter sich und bleiben damit fremd. Fast 90 Prozent tun genau dies nicht. Dennoch so scheint es, prägt das Bild der Minderheit die öffentliche Diskussion. „Absurd“, nennt Halm das.

Zweite Erkenntnis: Obwohl eine große Mehrheit der Zuwanderer bereit ist, sich anzupassen, zahlt sich dieses Wohlverhalten für sie nicht aus. Obwohl gut gebildet, vernetzt und sozial gefestigt, kommen sie nicht dahin, wo sie hin gewollt haben: in die akzeptierte Mitte der Gesellschaft.

Diese Enttäuschung ist nicht nur langfristig eine Gefahr, sie höhlt auch den hoch gehaltenen Anspruch der Chancengerechtigkeit aus. Der Integrationsratsvorsitzende Enver Sen kennt genügend solcher Lebensläufe; Menschen, die „in Deutschland geboren sind, hier arbeiten, heiraten, Erfolg haben, Steuern zahlen und doch immer irgendwie ,der Ausländer’ bleiben“. In der anschließenden prominent besetzten Diskussion kreisten die Gedanken vielfach um diese Kluft.

Dr. Armina Omerika begegnet ihr oft. Die im heutigen Bosnien-Herzegowina geborene und in Mülheim aufgewachsene Wissenschaftlerin ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, in der sie „viele Mauern“ erlebt, keine wirklichen, sondern „die im Kopf“. Für sie, deren Entwurf von Gesellschaft Inklusion ist, die gleichberechtigte Einbeziehung aller, kommt der diplomatische Fortschritt einer Schnecke gleich. Der gefeierte und bekrittelte Satz von Bundespräsident Wulff, dass der Islam Teil der deutschen Gesellschaft sei, scheint Omerika als Errungenschaft allzu dürftig: „Das ist so, als wenn ich sage: Zwei mal zwei ist vier.“

Für Sven Schlötcke, Mitgeschäftsführer des Theaters an der Ruhr, gehört zum Einmaleins der Integration ohnehin folgende Überlegung: „Worin sollen sich Zuwanderer denn integrieren“, fragt er, was also ist deutsch, oder noch lebensnäher: Was ist ein Mülheimer? Die oft so aufgeregte Diskussion um Bekleidung oder Symbole habe sich der gelebten Realität anzupassen.

Es war schließlich an Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld, ein nachdenkliches Fazit zu ziehen, an einem Abend, an dem man sich gewünscht hätte, viele „ganz normale“ Mülheimer hätten ihn bereichert. Es ergäben sich, meinte Mühlenfeld, viele Fragen und der drängende Wunsch zu handeln. Immerhin gebe es eine Keimzelle des gelungenen Miteinanders; „unter Kindern und da vor allem im Sport“. Irgendwann aber gehe dieser nahezu natürliche Zusammenhalt verloren: „Wir müssen uns fragen, wann und warum?“ Dann könne man womöglich an den „deprimierenden Befunden der Wissenschaft“ etwas ändern.