Ärmel hochkrempeln. Anpacken. Für die eigene Gaudi: Auf einer städtischen Freifläche zwischen Bahnlinie, Tourainer Ring und Auerstraße modellieren Jugendliche mit 700 Tonnen Lehm ihr eigenes Dirt-Bike-Areal. In ein, zwei Monaten sollen die ersten waghalsigen Sprünge mit Spezialrädern möglich sein.
So manch ein Passant reibt sich verwundert die Augen, wenn er an dem 3000 Quadratmeter großen Grundstück vorbeikommt und dort einen Haufen junger Menschen dabei beobachtet, wie sie ganze Arbeit leisten: Die Jungs bewegen was, jede Menge Lehm. Minibagger türmen den Grundstoff, aus dem die Träume sind, zu kleinen Hügeln auf, Jungs kloppen immer wieder mit Schüppen auf sie ein, bis sie fast so glatt sind wie Estrich. Hier entstehen sogenannte Shapes, Fahrbahnbeläge, auf denen Dirt Bikes, auch BMX-Räder später Geschwindigkeit aufnehmen und nach halsbrecherischen Sprüngen wieder sicher landen wollen.
Das Projekt, ein Dirt-Bike-Trail zu bauen, läuft mit seinem kleinen Budget von rund 5000 Euro unter der Regie des Mülheimer Sportservice. Es lebt vom Eifer seiner Mitstreiter und Sponsoren. Die Oberhausener Firma Nottenkämper spendierte die 700 Tonnen Lehm, die bbwe-Gesellschaft half bei der Einzäunung. Allen voran steht die Tatkraft der jungen Mitstreiter, die tagtäglich an ihrem Traum arbeiten.
Auch die treibende Kraft kommt aus ihren Reihen. Es ist Chris Kowalzik, 21 Jahre jung und vor einem Jahr für eine Ausbildung zum Produktdesigner aus Magdeburg nach Mülheim gezogen. Kowalzik kennt sich aus mit dem Bau von Dirt-Bike-Trails; in seiner Heimat wirkt er, seit er 15 ist, eifrig an den „M-Trails“ mit. Kowalzik weiß, wie Absprünge, wie Abstände zwischen den Tables (Rampen) zu bauen sind. Wie die Gaudi angeheizt statt ausgebremst wird. Er ist eine Art Vorabeiter auf der Anlage. Er leitet seine Helfer an. Er will den Szene-Sport in Mülheim bekannter machen, Jugendlichen was bieten, „um sie vom Computer wegzukriegen oder sie abzuhalten, Graffiti zu sprayen“.
„Die erste Woche“ erinnert er sich, „stand ich hier ganz alleine.“ Doch das Projekt sprach sich rum. Es kamen Dirt-Biker aus dem Rumbachtal, sie mobilisierten weitere Helfer. Erst diese Woche sind Lennard (14) und Jannis (13), zwei Gustav-Heinemann-Schüler, dazugestoßen. Jannis hatte entdeckt, dass sich auf der Fläche was Interessantes tat, informierte sich über Facebook – und nimmt nun selbst die Schüppe in die Hand. Sonst sei er mit seinem BMX-Rad in den Skateparks an der Süd- oder Aktienstraße unterwegs, „hier macht es aber mehr Spaß: Hier kann man die Rampen so bauen, wie man will“. Lennard freut sich, dass es auch eine Strecke für weniger Geübte geben wird.
Bis es so weit ist, liegt noch viel Arbeit an – auch für Hans-Werner Müller. Auch der 43-Jährige hat sich von dem Projekt für den Nachwuchs anstecken lassen. Er hatte gesehen, wie tonnenweise Lehm aufs Gelände gebracht wurde, fragte nach dem Sinn, und bot seine Hilfe an. Müller ist Garten- und Landschaftsbauer auf Arbeitssuche, hatte also gerade Zeit – „und wenn ich helfen kann, helfe ich auch. Vor allem für den guten Zweck!“
Ob er, der nie auf einem Dirt-Bike saß, weiß, dass die Arbeit an einem Trail nie fertig ist, weil die Strecken stets auszubessern und aus Lehm neue Herausforderungen zu modellieren sind . . .?
Für den dauerhaften Bestand der Dirt-Bike-Anlage am Tourainer Ring gibt es keine Garantie. Die Stadt will das Grundstück irgendwann einmal vermarkten. „Das Gelände kann rein theoretisch jederzeit verkauft werden“, so Johannes Michels vom Mülheimer Sportservice. Mindestens zwei Jahre lang aber sollen Jugendliche hier mindestens auf ihre Kosten kommen. Weitere wilde Dirt-Bike-Strecken gibt es in Mülheim am Broicher Waldweg und im Rumbachtal.