Ein drastischer Kursverfall und zu erwartende hohe Einbußen bei der Dividende: Der RWE-Sinkflug kann Mülheims Kämmerer Uwe Bonan nicht kalt lassen. 9,6 Millionen Aktien des wankenden Energieriesens halten der Konzern Stadt über seine Beteiligungsholding und zwei sozialen Zwecken dienende, von der Stadt verwaltete Stiftungen.

Rund 5,5 Millionen Aktien, darunter vor allem Stammaktien, sind bei der städtischen Beteiligungsholding geparkt. Mit den Erlösen aus der Dividende wird ein Teil des 27-Millionen-Euro-Defizits der Mülheimer Verkehrsgesellschaft ausgeglichen. zuletzt konnte die RWE-Dividende gut 19 Mio Euro zur Deckung des Verlustgeschäftes ÖPNV beitragen.

Im nächsten Jahr, in dem die Dividende von 3,50 Euro je Aktie auf 2,70 oder gar, so neueste Prognosen, auf 2,20 Euro herabgesetzt werden könnte, käme das im schlimmsten der angenommenen Fälle einem Einnahmeausfall für die Beteiligungsholding in Höhe von 7 Mio Euro gleich. Letztlich wird die Lücke im Stadtetat noch größer und die Möglichkeit geringer, einen neuen Etat aufzustellen, der nicht wieder in die Schlingen des Nothaushaltsrechts fällt und städtische Spielräume immens einengt.

Erneut werden Rufe in der Bürgerschaft lauter, die Unverständnis darüber ausdrücken, warum die Stadt sich nicht längst von ihren RWE-Aktien getrennt hat. So lag der Wert einer RWE-Aktie im Januar 2008 gar bei 100,64 Euro. Hätte die Stadt all ihre nicht bei Stiftungen angedockten Aktien zu diesem Zeitpunkt verkauft, hätte sie rund 550 Millionen Euro abzüglich Kapitalertragsteuer und Soli (rund 100 Mio Euro) eingenommen. Mit einem Schlag hätten, wenn nicht alle, so doch der größte Teil der Kredite getilgt werden können, die zu Beginn 2011 in einer Summe von 499 Mio Euro zu Buche standen und dazu dienen, überhaupt das laufende Verwaltungsgeschäft finanzieren zu können.

Die Sache hat freilich mehrere Haken: Erstens gingen der Stadt die Dividendeneinnahmen verloren, die selbst in diesem Jahr noch weit höher liegen werden als die Zinsen, die die Stadt für ihre Kassenkredite zahlt. Zweitens brächte ein Verkauf auch deshalb nichts, weil er eben nicht dazu beitrüge, die Stadt dauerhaft aus ihrer Haushaltsklemme zu befreien. Die Stadt hat strukturell jedes Jahr zu wenig Geld, um das zu leisten, was ihr gesetzlich auferlegt ist. So wäre die Dividende verloren, das Liquiditätsproblem aber würde beständig wieder größer werden. Mit dem Verkauf städtischen Tafelsilbers seinen Haushalt zu sanieren, konnte nur einer Stadt wie Düsseldorf gelingen, die potenziell über ausreichend Einnahmen verfügen kann.

Haushaltsprobleme

„Unter Berücksichtigung der Kreditzinsen, der Dividende und des Börsenkurses ist ein Verkauf derzeit überhaupt kein Thema und wirtschaftlich nicht darstellbar“, sagt Kämmerer Bonan. Der aktuelle Kurs von rund 25 Euro je Aktie brächte gerade mal knapp 140 Mio Euro vor Steuern ein – da lohnt nicht mal der Gedanke an einen Verkauf.

Der niedrige Kurs könnte aber, trotz strategischer Anlageabsichten der Stadt, ein Problem im Haushalt schaffen: In der Konzernbilanz der Stadt sind die insgesamt 8,66 Millionen Stammaktien mit 74,93 Euro bewertet, die knapp eine Million Vorzugsaktien mit 67,96 Euro; aktuell werden sie an der Börse aber nur noch zu 24,55 beziehungsweise 23,08 Euro gehandelt.

Eine Wertberichtigung in der Bilanz würde das Tempo der Überschuldung der Stadt erhöhen. Ohnehin geht Bonan davon aus, dass die städtischen Schulden das Eigenkapital schon in sechs bis acht Jahren übersteigen werden und Mülheim in eine ähnlich missliche Lage gerät wie die Nachbarstädte Duisburg und Oberhausen.

Die Gemeindehaushaltsordnung mache im Gegensatz zum Handelsgesetzbuch eine solche Wertberichtigung durch außerplanmäßige Abschreibung nicht zur Pflicht, so der Kämmerer. Und doch werde die Stadt für den Jahresabschluss zum 31. Dezember darüber zu befinden haben. Dabei werde man die Kursentwicklung der Vergangenheit ebenso in den Blick nehmen wie Prognosen und Einschätzungen von Analysten zur Rentabilität der Aktien. Bonan will „Augenmaß“ walten lassen. Er glaubt ohnehin, dass die derzeitigen Kurse der RWE-Aktien „nicht dem tatsächlichen Wert des Unternehmens entsprechen, sondern der Aufregung und den Spekulationen an den Börsen geschuldet sind“.