Mülheim.. Wer im Moment durch waldreiche Gegenden fährt, sollte besonders aufpassen: Es ist Brunftzeit. Rehe sind jetzt besonders unvorsichtig, was zu Unfällen durch Wildwechsel führt - oft mit tödlichem Ausgang.
Es geschah in Mülheim, wie es derzeit überall auf Straßen geschehen kann, die durch waldreiche Gegenden führen: ein Wildunfall, denn die Rehe sind in der Brunft. Ein Mülheimer Ehepaar fand am vorvergangenen Montag gegen 21.30 Uhr einen Rehbock auf der Kölner Straße. Gemeinsam mit dem Fahrer, in dessen Wagen das Tier gelaufen war, wartete man auf die zuvor alarmierte Polizei. Der Vorwurf der Mülheimerin: Es habe zu lange gedauert, bis die Polizei gekommen sei, die dann auch noch erst einen Förster gerufen habe. Das verletzte Reh hätte unnötig lange leiden müssen.
Keine äußerlich sichtbaren Verletzungen
Polizeisprecher Peter Elke betonte, dass ein verletztes Tier bei einem Polizeieinsatz höhere Priorität habe. Doch es habe eben auch den Anruf gegeben, der von einem toten Reh auf der Kölner Straße berichtete. So sei der nächste verfügbare Streifenwagen gegen 22 Uhr am Unfallort eingetroffen. Hätte die Polizei das Tier dann erlösen dürfen?
Den Polizisten seien an dem Reh keine äußerlich sichtbaren Verletzungen aufgefallen, so Elke, daher wurde zunächst der Jagdausübungsberechtigte verständigt. „Der Schusswaffengebrauch ist bei der Polizei die Ausnahme“, betonte Elke. Vor allem, wenn Passanten in der Nähe seien, könnte es durch zurückschlagende Projektile zu Verletzungen der Umstehenden kommen. Die Situation nach einem Wildunfall ist nicht immer gleich: Am Samstagabend zuvor, gegen 2.30 Uhr, erschossen Polizisten in der Nähe des Essener Baldeneysees einen durch einen Autounfall sichtlich schwer verletzten Rehbock.
Gas wegnehmen
Wie schwer es den Mülheimer Bock getroffen hatte, stellte der Jagdausübungsberechtigte Heinrich Diergard, zu dessen Pachtgrundstück das Gelände um den Unfallort – hinter dem Fliednerwerk in Richtung Selbeck – gehört, erst fest, nachdem er das Reh mitgenommen hatte. Für Außenstehende sei das nur schwer zu erkennen. „Man braucht jagdliche Erfahrung,“ betont er, „manchmal hat so ein Tier nur einen Schock.“ Der Bock habe auf den ersten Blick schließlich keine Verletzungen gehabt. Auf den zweiten aber schon, und so musste er das Reh dennoch erlösen.
Heinrich Diergard appelliert an die Autofahrer, Vorsicht auf den Straßen walten zu lassen: „Nehmen Sie Gas weg, wenn ein Reh am Straßenrand steht.“ Die Brunftzeit, der Jäger spricht von Blattzeit, dauert noch etwa bis zum Monatsende. „Die Rehböcke sind jetzt unvorsichtig und reagieren unkontrolliert. Ein Reh kann gar nicht einschätzten, ob das Auto nun auf es zukommt oder nicht“, so Diergard. Rehe sind keine Haustiere, sondern wilde Tiere, die den Menschen fürchten. Am schlimmsten sei es, wenn die Tiere einen Verkehrsunfall überlebten, aber flüchten könnten. „Zu 80% sind die Verletzungen so stark, dass sie dann irgendwo elendig zugrunde gehen,“ weiß er.