Khalid Assaher trägt seit acht Jahren Post aus. Gar nicht so einfach: Er wechselt ständig den Bezirk.
Bevor es nach draußen geht, hat Khalid Assaher noch eine Menge zu tun. Es ist sechs Uhr morgens, die Stadt schläft noch. Drinnen, in der Hauptfiliale der Post am Bahnhof, herrscht schon geschäftiges Treiben. Der 27-Jährige sitzt auf einem Drehhocker in seiner kleinen Ecke, Regale trennen ihn von seinen Kollegen. Vor einer Stunde hat der Briefträger bereits mit der Arbeit begonnen, sortiert Klein- und Großbriefe nach Straßennamen in die entsprechenden Fächer. Die Maschinen im Essener Bearbeitungszentrum haben vorgearbeitet. So bekommt Khalid Assaher nur die Post, die auch für seinen Bezirk bestimmt ist. Heute fängt er besonders früh an, er ist Springer, vertritt also Kollegen, die Urlaub machen oder krank sind. An diesem Morgen kümmert er sich nicht nur um seine eigene Post, sondern sortiert noch eine zweite Ladung. Der Kollege hat's gut – er kann gleich mit dem Austragen beginnen. Gegen halb neun, als alles im richtigen Fach liegt, beginnt Khalid Assaher, Taschen und Kisten zu packen. Greift in die Fächer, holt erst die großen, dann die Normalbriefe heraus. Zack, zwei Gummibänder herumgewickelt. Die Bündel ordnet er in den Taschen an. Jeder Brief muss an der richtigen Stelle stecken, denn die Route ist genau vorgegeben.
Dann geht's los, endlich beginnt die Arbeit, die dem Postboten am meisten Spaß macht. Klar: das Austragen. Mit dem Auto macht er sich auf dem Weg nach Saarn, dort wartet schon sein quietschgelbes Fahrrad. Dunkle Wolken ziehen am Himmel auf, die Regenjacke gehört für ihn ebenso zur festen Ausstattung wie Butterbrote und eine Flasche Limo. Dass Khalid Assaher keinen festen Bezirk hat, erschwert die Arbeit. „Gestern hab' ich bis 16.30 Uhr gebraucht, weil ich den Weg nicht kannte.” Doch am zweiten Tag geht alles viel schneller. Anstrengend ist es trotzdem, schon das Radfahren will gelernt sein. Schließlich ist der Drahtesel schwer beladen. „Am Anfang war das ganz schön wackelig”, erinnert sich Khalid Assaher, der vor acht Jahren seine Ausbildung bei der Post begann. Wenn es bergauf geht, muss er ordentlich in die Pedale treten.
Erst sind die Geschäfte an der Düsseldorfer Straße dran. Dort kann er die Briefe unter der Tür durchschieben, falls keiner da ist. Bei den Privathäusern geht das nicht – es sei denn es ist ausdrücklich gewünscht. Also muss Khalid Assaher die Briefkästen finden, sieht sich in den Hinterhöfen um, um bloß keinen zu übersehen. Einige Anwohner kommen raus, um die Post persönlich entgegen zu nehmen. „Viele wissen genau, wann der Bote kommt und warten auf ihn.” Manchmal wird noch ein wenig geplaudert. Nur eine Frau, die mit dem Auto vorbeifährt, ist nicht gut auf den Briefträger zu sprechen: „Ich will die Post nicht wieder so spät haben wie gestern”, schimpft sie. Doch sie wird sich wohl gedulden müssen: Ihr Haus ist das letzte auf der Route.
Khalid Assaher bleibt gelassen. Das einzige, was ihn aus der Ruhe bringt, sind aggressive Hunde. „Zwei Mal wurde ich schon gebissen.” Doch damit soll Schluss sein: Morgens wird er durch Merkzettel über die Gefahren informiert, die auf dem Weg liegen. In Saarn hat er nichts zu befürchten.