Wie ist es, wenn man die eigene Stelle ausgeschrieben sieht? Peter Brill muss es wissen, er hat es eben erlebt. Ende August geht der Leiter der AWO-Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Sexualität und Partnerschaft in den Ruhestand. Nach 21 Jahren.

„Dieser ganze Abschied”, meint der 62-jährige Diplom-Sozialpädagoge, „ist ein ambivalentes Gefühl.” Weil er sich, einerseits, aus etlichen persönlichen Abschieden zusammensetzt, „von vielen, vielen Leuten, mit denen ich über zig Jahre zusammengearbeitet habe”. Doch was die Sache als solche angeht, wirkt Brill entspannt: „Mein Schreibtisch ist so weit aufgeräumt.”

Allein dies: eine Leistung, denn das Aufgabenspektrum der Beratungsstelle ist breit. Dafür hat er selber gesorgt. 1988 fing Brill in Mülheim an, vorausgegangen waren: eine Kindheit in Kassel, Studienjahre in Köln sowie das frühzeitig abgebrochene Vorhaben, nach Neuseeland auszuwandern. Peter Brill und seine Frau hatten schon ihren gesamten Hausstand verkauft, waren vor Ort, kehrten jedoch nach einem halben Jahr zurück („landschaftlich sehr schön, aber auch provinziell”).

In zwei Jahrzehnten hat Brill mit seinem kleinen Team einiges auf den Weg gebracht. Früh rückte ein Thema in den Fokus: sexueller Missbrauch. Seit 1989 wurden Projekte hierzu mit weiterführenden Schulen durchgeführt, die bis heute laufen und stets einen Besuch der Klassen in der Beratungsstelle an der Heinrich-Melzer-Straße umfassen, „um Schwellenängste zu nehmen”.

Später kamen entsprechende Veranstaltungen für Grundschulen hinzu, und nun hat Brill noch ein neues Angebot angeschoben: Aufklärung – altersgerecht – für Kindergartenkinder. Nach den Sommerferien soll es in Mülheimer Familienzentren starten.

„Ich hinterlasse noch ein Projekt”, ergänzt Peter Brill, dieses sei auf Förderschulen zugeschnitten. Es gibt hierfür einen Sponsor, dessen definitive Zusage er gerne noch hätte, bis zum 12. August, seinem – dank Resturlaub – letzten Arbeitstag im Büro.

Das „Elefon” darf man nicht vergessen: Zur Jahrtausendwende wurde es eingerichtet, als Beratungsangebot für Jugendliche rund um sexuellen Missbrauch, aber auch um Freundschaft, Beziehungen. Auf den Anruf folgen, bei Bedarf, persönliche Gespräche. Brill schätzt, dass auf diesem Wege jährlich bis zu 20 Fälle ans Licht kommen, bei denen es tatsächlich um Missbrauch geht. Die Betroffenen werden von ihm auch therapeutisch betreut, teilweise über Jahre. Manches, was er dabei erfuhr, „hat Narben hinterlassen”.

Ein neuer Schwerpunkt kam in jüngster Zeit hinzu: das Internet als Sphäre, in der sich Jugendliche nicht allzu sicher fühlen dürfen. Brill sieht auch die Eltern in der Pflicht: „Sie müssten sich hier reinknien, die Gefahren kennen und damit umgehen können.”

Um all das wird sich ab September sein Nachfolger kümmern. Etwa 50 Bewerbungen seien eingegangen, doch noch keine Entscheidung getroffen. Peter Brill wird bald mehr Zeit zum Training haben. Als Marathonläufer ist der 62-Jährige noch relativer Neuling: „Ich habe das Gefühl, dass die Strecken im Laufe der Jahre länger geworden sind. Im Sinne von: abschalten können.”

Ein Abschiedsgeschenk macht er sich selber: eine Reise zum New York Marathon, aber wohl erst nächstes Jahr.