Mülheim.. Zwischen der Stadt Mülheim und den Vereinigte August Thyssen-Stiftungen eskaliert der Streit um die denkmalgeschütze Troost'sche Weberei. Wird das Tudorhaus nicht binnen 18 Monaten saniert, droht der Stiftung eine Strafe in Höhe von 50.000 Euro.

Wie weit darf Denkmalschutz gehen? Zwischen der Stadt und den Vereinigte August Thyssen-Stiftungen eskaliert ein jahrelanger Streit um das denkmalgeschützte Bauensemble der Troost’schen Weberei am Ruhrufer.

Die Stiftung, Besitzer der Bauten, fürchtet, durch die Ruinen ruiniert zu werden, wenn die Stadt Recht bekäme. Die Kommune hat ihr jetzt eine Ordnungsverfügung und eine Androhung von Zwangsgeld ins Haus geschickt: 50.000 Euro Strafe drohen, wenn das Tudorhaus – es gehört neben der Weberei und dem Kutscherhaus zu dem Denkmal-Komplex – nicht binnen 18 Monaten wieder hergestellt ist, und zwar nach den charakteristischen Merkmalen des Denkmals.

Für die Stiftung, die abreißen möchte, ist das ein neuer Höhepunkt in der bisherigen Auseinandersetzung. Sie klagt gegen die Verfügung, wie Geschäftsführer Johannes Hartmann gegenüber der WAZ erklärt. Die Sanierung und Vermarktung des Denkmals wäre für die Stiftung laut Satzung auch gar nicht machbar. Sie soll sich um Kinder und alte Menschen kümmern.

"Wiege der Mülheimer Industriekultur"

Für die Untere Denkmalbehörde stellen die Gebäude der Troost’schen Weberei „die Wiege der Mülheimer Industriekultur“ dar, für Mülheims Denkmalschützer Erich Bocklenberg ein wertvolles Gut. Für die Stiftung ist es eine vom Einsturz bedrohte Ruine. „Nicht nur abrissfähig, sondern abrisspflichtig“, wie es Rechtsanwältin Dr. Bettina Keienburg, die die Stiftung im Rechtsstreit vertritt, an das Verwaltungsgericht Düsseldorf formuliert.

Mehrere Gutachter haben inzwischen Bruch, Hausschwämme, Pilze, Moder registriert. Durch hohe Zäune sind Tudorhaus und alte Weberei abgesperrt. Wände, Decken, Teile der Dächer weisen am Webereihaus wie am Tudorhaus große Schäden auf. Der Hausmeister sagt: „Ich lass’ hier keinen mehr rein.“ Auch Gutachter sehen durchaus die Gefahr des Einsturzes, erst recht, wenn das Holzgebälk bei einer Sanierung herausgenommen wird.

„Es ist kein erhaltungsfähiges und erhaltungswürdiges Denkmal mehr vorhanden“, sagen die Anwälte der Stiftung und weisen darauf hin, dass der Denkmalschutz sich nicht im rechtsfreien Raum bewegt. Die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt bleiben. „Unzumutbare Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen müssen nicht vorgenommen werden und dürfen auch nicht verfügt werden“, so sieht es Hartmann und verweist auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster aus dem Jahr 2007.

Für Sanierung müssten mindestens vier Millionen Euro investiert werden

Mindestens vier Millionen Euro müsste die Stiftung investieren und erhielte lediglich 400.000 Euro Zuschuss. „Wir haben dieses Geld nicht“, betont der Geschäftsführer. Die Stiftung sei sogar bei der Kinder- und Jugendeinrichtung „Raphaelhaus“ als „armer Träger“ anerkannt. „Wenn man Thyssen höre, dürfe man nicht gleich Dollar-Zeichen in den Augen haben“, warnt Hartmann. „Wir müssten das Geld am Kapitalmarkt aufnehmen.“ Wollte man aus dem Tudorhaus etwa ein Wohnhaus machen, müsste man am Ende einen Mietzins von deutlich über 15 Euro verlangen. Unrealistisch, heißt es.

Die Mängel an den Gebäuden bis hin zum drohenden Einsturz bestreitet die Untere Denkmalbehörde nicht, allerdings, so Bocklenberg, seien die Schäden am Tudorhaus hauptsächlich durch die unterlassene Reparatur des Daches hervorgerufen. „Das Gebäude wurde fahrlässig dem Verfall preisgegeben.“ Unterlassene Instandsetzung, unsachgemäße Behandlung, mangelnder Schutz vor Gefährdung wirft Bocklenberg der Stiftung vor. „Ein Unterlassen dieser Pflichten löst eine Ersatzpflicht aus, heißt: Wiederherstellung.

Von der Politik bekommt der Denkmalschützer Rückendeckung: Mit Mehrheit haben sich die Fraktionen der Forderung angeschlossen, das Tudorhaus zu retten. Der jüngste Vorschlag lautet: Der Landschaftsverband Rheinland soll ein Industriemuseum daraus machen. Doch daraus wird nichts. Walter Hauser, Leiter des LVR Industriemuseums: „Es gibt in der Region genügend Museen zur Textilgeschichte. In Mülheim fehlen auch jegliche Ausstellungsstücke. Das wäre ein aussichtsloses Unterfangen.“

Schon 1988 waren Spuren des Verfalls bekannt

Die Untere Denkmalbehörde gerät mit ihren Vorwürfen gegen die Stiftung inzwischen selbst ins Straucheln. Wieso hat sie nicht schon viel früher auf den Erhalt des Ensembles gedrängt. Schon bei der Unter-Schutz-Stellung im Jahr 1988 sollen deutliche Spuren des Verfalls an der Weberei sichtbar und bekannt gewesen sein. Entsprechende Aktennotizen liegen vor. So spricht das Rheinische Amt für Denkmalpflege nach einem gemeinsamen Besichtigungstermin des Webereigebäudes am 9. März 1990 von einem Schwammbefall. Immerhin, darauf lenkt die Stadt den Blick, sei das Tudorhaus und das Kutscherhaus bis 2003 noch teilweise bewohnt gewesen. So schlimm könne es um die Bauten also nicht gestanden haben.

Abreißen und einsäen, das ist das Ziel der Stiftung seit fünf Jahren. Die 116 Bewohner des angrenzenden Franziskushauses sollen mehr Garten erhalten. Dieser ist ihnen durch die Absicherungszäune der Weberei auf ein kleines Fleckchen zusammengeschrumpft. Das 19. Jahrhundert rückt bis vor die Tür.