Erstmals vorgestellt wurden die Überlegungen im Oktober 2009. Damals dachte die Vereinte Ev. Kirchengemeinde (VEK) an, das Gemeindezentrum Christuskirche samt Kindergarten „Das Raadthäuschen“ 2012 zu schließen. Gleich regte sich Protest – nicht gegen die Schließung der Kirche, aber gegen die des Raadthäuschens. Inzwischen ist die VEK mit ihren Gedankenspielen weiter, stellte Anfang März der Gemeinde vier mögliche Umstrukturierungsmodelle vor, die diesmal bis ins Jahr 2020 denken und noch weitreichendere Schließungen umfassen (wir berichteten). Der Unmut in Raadt ist dadurch nochmals gewachsen. Die Kindergarten-Eltern fühlen sich ignoriert und schrieben nun einen offenen Brief ans Presbyterium.
Das ist wohl ein klassisches Beispiel für „Interpretationssache“: Während die Elternrat-Sprecherin Annemarie Frohn die Lage des Kindergartens im Grünen als Pluspunkt verbucht und als Grund für den Erhalt der Einrichtung, führt der Vorsitzende des Presbyteriums, Justus Cohen, eben dies als Nachteil an. An der Parsevalstraße, nah an Wiesen und Feldern, das sei doch ideal für Kinder, findet Annemarie Frohn. Für Justus Cohen ist diese „Randlage weit ab vom Schluss. Die Ortsnähe betrifft hier nur rund 700 Gemeindeglieder. Die VEK hat aber 10 500.“ Und die momentan diskutierten Modelle zum Gemeindeumbau beträfen eben nicht nur einen, sondern alle vier Bezirke.
Diese verschiedenen Blickwinkel sind wohl ein Grund für die verschiedene Bewertung der Situation: Justus Cohen berichtet, dass es seit Jahren schwierig ist, die Plätze mit Kindern der Gemeinde zu besetzen. Annemarie Frohn, selbst kein Gemeindeglied, spricht konfessionsunabhängig vom ganzen Stadtteil. Den mit ausreichend Kindergartenplätzen zu versorgen, so Cohen, sei aber nicht Aufgabe der VEK, sondern der Stadt – und mit der werde man das Gespräch, sollte es eine Entscheidung geben, suchen.
Die faktische Betrachtungsweise des Presbyteriumsvorsitzenden kann Annemarie Frohn nicht teilen. Sie beklagt die Tendenz der vergangenen Jahre, dass Diskussionen „immer bei Zahlen enden“. Viel Engagement und Liebe brächten die Eltern ein, sie verschönerten Außenanlagen, schafften Spielgeräte an. Das werde nicht honoriert: „Wir sind tief enttäuscht und am Ende unserer Kräfte.“ Der offene Brief sei wohl „das letzte Aufbegehren“.
Die Emotionen der Eltern – Justus Cohen, selbst lange Pfarrer in „Christus“, kann sie nachvollziehen, sie sich aber selbst nicht erlauben. Denn an jeder Gemeinde-Immobilie hängen Herzen, und es wird noch über andere Schließungen nachgedacht. Cohen: „Ein Kindergarten in einem Gemeindezentrum ist optimal, das sehe auch ich so. Nur: Wenn das Gemeindezentrum fällt, weil es zu schlecht besucht wird, ist es schwierig, den Kindergarten zu halten.“
Eine endgültige Entscheidung, welche Einrichtungen die VEK aufgibt, soll in den kommenden Monaten fallen.