Mülheim. . Die ganze Welt blickt dieser Tage nach Japan und fühlt mit den Opfern der Katastrophe. Auch in Mülheim beherrscht das Thema Gedanken und Gespräche. Eine Helferin, ein Unternehmens-Vertreter und ein Künstler sprechen über ihre Eindrücke.

Gebannt blicken die Mülheimer auf die Ereignisse in Japan, die sich – beinahe minütlich – zu überschlagen scheinen. Während die Menschen vor Ort aus Angst vor einem atomaren Super-GAU massenweise evakuiert werden, sind Menschen in Mülheim nur mittelbar betroffen und versuchen, ihrer Sorge Ausdruck zu verleihen, die Geschehnisse einzuordnen.

Die Helferin

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    Seit mehr als 18 Jahren engagiert sich Dagmar van Emmerich für die Opfer der Tschernobyl-Katastrophe. Mit ihrer Initiative „Tschernobyl-Kinder“ sind sie und ihre ehrenamtlichen Helfer hauptsächlich in Weißrussland aktiv – dort organisieren und finanzieren sie Hilfsprojekte. Dagmar van Emmerich blickt mit Sorge nach Japan.

    „Man kann die beiden Unglücke nur schlecht miteinander vergleichen“, erklärt van Emmerich. „In Japan ist die momentane Lage viel dramatischer, da zwei Faktoren eine große Rolle spielen.“ Das Erdbeben mit anschließendem Tsunami und die drohende Atomkatastrophe haben großen Schaden angerichtet und seien schlecht mit dem zu vergleichen, was in Tschernobyl geschah. Dennoch erkennt Dagmar van Emmerich die Gefahr, die auf die Menschen in Japan zukommen könnte. „Wenn es zu einem GAU kommen sollte und sie Strahlung ausgesetzt sind, werden sie noch lange Jahre darunter leiden.“ So wie die Menschen aus Tschernobyl, die noch heute vermehrt unter Krebs- und Schilddrüsenerkrankungen leiden. Daher sei es wichtig, dass die japanische Regierung schnell reagiere. „In Weißrussland hat die Regierung alles getan, um das Unglück und seine Folgen zu vertuschen – bis heute. Das darf nicht noch einmal passieren.“

    Das Unternehmen

    In Mülheim gibt es nur wenige Unternehmen, die engere Geschäftsbeziehungen zu Japan führen. Eines davon ist das Unternehmen Gerstel, das Geräte für die chemische Analytik herstellt und eine Niederlassung in Tokio unterhält. Manfred Schwarzer, Entwicklungsleiter bei Gerstel, hat die Außenstelle des Mülheimer Traditions-Unternehmens von 1999 bis 2004 in Tokio aufgebaut. Dort arbeiten seitdem elf japanische Mitarbeiter, die sich um den Vertrieb der Produkte vor Ort kümmern. „Ihnen ist Gott sei Dank nichts Schlimmes zugestoßen“, sagt Schwarzer erleichtert, der seine Ehefrau in Japan kennen lernte. „Auch ihrer Familie und unseren Freunden ist dort nichts passiert.“ Dennoch bleibt Schwarzer in engem Kontakt mit den Mitarbeitern in Tokio und hält sich auf dem Laufenden.

    Die Arbeit in der Filiale in Tokio gehe zwar weiter, allerdings nur gedrosselt: „Die Leute haben dort natürlich im Moment andere Sorgen.“ Auf das Arbeiten in Mülheim habe die Katastrophe bisher noch keine Auswirkungen, da die Produkte in Deutschland produziert werden. „Wenn aber ein Teil des Marktes wegbricht, wird das sicherlich Einfluss auf die gesamte Wirtschaft haben, nicht nur auf unser Unternehmen“, vermutet Manfred Schwarzer.

    Der Künstler

    Das Trauma eines zerstörerischen Erdbebens hat Doku-Filmer Rainer Komers in „Kobe“ festgehalten. 6000 Menschen kamen 1995 in der verwüsteten Millionenstadt ums Leben. Selbst wenn Kobe rund 700 Kilometer entfernt im Inland Japans liegt:„Die jüngsten Ereignisse haben die Menschen dort sicher retraumatisiert“, glaubt der Dokumentarfilmer. Komers erinnert sich, wie die Freundin und japanische Künstlerin Hiroko Inoue mit dieser Erfahrung umging und damit begann, Innenaufnahmen von Psychiatrien zu machen: triste Räume mit dominierenden Schatten. „Ihre Kunst hatte die Farben verloren.“ Auch damals hatte das Beben Symbolcharakter: „Es hat den Glauben an die Technik erschüttert.“