Wenn man die Augen schloss, fühlte man sich wie auf der berühmten Bourbon Street in New Orleans, im Dixieland der Südstaaten der USA. Wenn man die Augen wieder öffnete, war man im Jazzclub Mülheim an der Kalkstraße, sah und hörte der Tower Jazz Band bei der Arbeit zu.

Die fünf Berliner Musiker entführten die rund 100 Besucher mit ihren Melodien einen langen, langen Abend in die Welt des Dixielands, des Traditional New Orleans Jazz, der schummrigen Musikkneipen in verrauchten Kellern oder Hinterhäusern.

Die 1996 gegründete Tower Jazz Band aus Treptow im Südwesten der Hauptstadt war in der DDR eine der gefragtesten Jazzbands. Anders als die Kollegen von der Rock-Zunft hatten es Jazzmusiker im früheren Arbeiter-und Bauern-Staat nicht so schwer. „Es gab in den größeren Städten wie Ost-Berlin, Dresden oder Leipzig eine Jazzszene mit einer Menge Bands“, erzählt Gründungsmitglied Bernd Heinrich. „Das lag auch daran, dass mit Kurt Hager ein Jazzfan im Politbüro saß.“

Der kommunistische Jazz-Liebhaber Hager sorgte dafür, dass sich die Jazzmusiker trotz ihrer anglo-amerikanischen Vorbilder in der DDR relativ frei entfalten konnten. In der Tauwetterperiode der 60er/70er Jahre zwischen Ost und West durfte sogar der berühmte US-Jazzer Louis Armstrong auf Tour durch die DDR gehen. Und 1971 wurde, ganz offiziell, das Dresdener Festival gegründet, das im kommenden Mai seine 44. Neuauflage erlebt. Genau dort, in Dresden, lernte Manfred Mons, Betreiber des Mülheimer Jazzclubs, die Musikerkollegen der Tower Jazz Band kennen, als er auf dem Festival mit seiner „Ruhr River Jazz Band“ auftrat. Ein Kontakt, der zu dem gelungenen Auftritt des Quintetts am Freitag Abend im Mülheimer Jazz-Club führte.

Mit unbändiger Spielfreude intonierten Bernd Heinrich (Posaune), Holger Lattke (Klarinette, Alt-Saxophon), Götz Fredrich (Trompete, Kornett), Heinz-Jürgen Berger (Banjo), Friedrich Thelemann (Kontrabass) und Berndt Strothmann (Schlagzeug) Klassiker, aber auch unbekannte Dixieland-Melodien. „Harlem Bound“ von Chris Barber oder „Wild Cat Blues“ von Monty Sunshine. Und natürlich durften da auch berühmte Traditionals wie „Gloryland“ oder „When the Saints go marchin` in“ nicht fehlen. Dem eingespielten Team um Frontmann Heinrich gelang es dabei auch, einen Country-Hit wie „Jambalaya“ von Hank Williams ins Dixieland zu adaptieren.

Improvisationen

Darüber spielten die Blasinstrumente ihre unverwechselbare Ohrwürmer. Reine Melodien, die immer wieder durchbrochen werden - mit Improvisationen von Posaune, Klarinette; Trompete und Saxophon, die sich in einer Art Ruf- du Antwortspiel ständig abwechseln oder den Ragtime-Breaks des Schlagzeugers, der für atmosphärische Pausen sorgte. Das Publikum genoss spürbar den Ausflug von Mülheim nach New Orleans und erklatschte sich bis Mitternacht mehrere Zugaben.