Mülheim.

Heiligabend ist die Loveparade-Kastrastrophe von Duisburg genau fünf Monate her. Der Notfallmediziner Thomas Franke aus Mülheim war damals vor Ort. Die Bilder, die er sah, lassen auch einen Notfall-Profi nicht so schnell los.

Heiligabend ist es genau fünf Monate her. Am 24. Juli sollte die Loveparade in Duisburg für Stimmung und gute Laune sorgen. Der Tag endete bekanntlich mit einem Desaster, mit vielen Toten und Verletzten. Thomas Franke war mittendrin. Ungeplant, aber er war der richtige Mann am Ort.

Der 44-jährige ist Notfallmediziner, er arbeitet seit 1999 in der Ambulanz des Ev. Krankenhauses und ist der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes bei der Feuerwehr. Wer als Notarzt arbeitet, hat schon alles gesehen, was die Gesundheit versehren kann. Dr. Franke ist nicht der zimperliche Typ. Das kann, das darf er auch gar nicht sein, denn im Notfall muss man zupacken können, muss in kürzester Zeit Entscheidungen treffen. Man bekommt seine Patienten nicht gut vorbereitet auf dem OP-Tisch präsentiert. Frankes Patienten haben gerade noch im Alltag gestanden, nichtsahnend. Oder gerade noch getanzt, zu Techno-Rhythmen, zu schnellen Beats.

8000 Einsätze hinter sich

Thomas Franke ist ein erfahrener Notarzt. Etwa 8000 Einsätze hat er hinter sich. „Man weiß nie, was kommt,“ sagt er. Aber diese außergewöhnlich hohe Anzahl an Toten, an Betroffenen an diesem 24. Juli sind Bilder, die man nicht vergisst. Auf so etwas trifft man unvorbereitet. „So ein Szenario“, sagt Franke, „kann man nicht trainieren.“ Und solche Bilder lassen auch einen Notfall-Profi nicht so schnell los.

Dass die Notfallseelsorger sich auch um die Nothelfer gekümmert haben, hat Franke als sehr positiv erfahren. Reden half ihm auch beim Verarbeiten der Bilder. Und dann erzählt er von dem Julinachmittag, als er mit zwei ärztlichen Feuerwehr-Kollegen aus Duisburg und Niedersachsen zur Beobachtung das Loveparade-Gelände besuchten. Dass keiner mit mehr rechnete als der üblichen An­zahl von Kreislauf- und Alkoholproblemen, was eben bei einer Großveranstaltung anfällt. Zufällig standen sie am Tunneleingang, als die Kata­strophe ihren Anfang nahm, an dessen Ende Dr. Franke 15 Tote zählte. Über die A 59 gelangten die Ärzte in den Tunnel – „Vorhof zur Hölle“ be­schreibt Franke die Szenerie. Überall verletzte, be­wusstlose, panische Menschen.

"Man funktioniert nur noch."

Dr. Franke ist Profi. Er organisierte das Wichtigste: dass schnell viel medizinische Hilfe zu den Menschen kommt, sorgte für Struktur, für Ordnung. Wer ist wie schwer verletzt? Welche Medikamente fehlen für die Reanimation? Wer ist stabil und kann ins Krankenhaus? „Man hat“, erinnert sich Thomas Franke, „gar kein Zeitgefühl mehr. Man funktioniert nur noch.“

Am 10. Dezember hat der Bundespräsident 200 Helfer der Loveparade-Katastrophe nach Schloß Bellevue geladen um ihnen – stellvertretend für alle Helfer – für ihren Einsatz zu danken. Darunter auch Thomas Franke, der sich mit vielen austauschen konnte, die dabei waren, die dieselben Bilder im Kopf haben wie er.

Sport und Garten

Thomas Franke hat Familie, entspannt sich gern zu Hause, beim Sport und im Garten. Am Montag nach der Loveparade hatte er Notarztdienst. Wieder Alltag? „Man musste erst wieder runterkommen,“ sagt er, mit dem Abstand von fünf Monaten, den er heute hat. Doch noch immer werde er gefragt, wie es ihm gehe. „Es gibt immer Einsätze, die einen länger beschäftigen – aber nicht so wie die Loveparade.“

Dr. Franke ist mit Leib und Seele Notfallmediziner. Auf die ihm so oft gestellte Frage, was ihn an seinem Beruf eigentlich so begeistert, sagt er schlicht: „Ich rette gern Leben. Das ist sehr befriedigend, bei allem Stress.“ Man müsse als Notfallarzt ja auch alles können – zwei Babys, die nicht bis zum Kreissaal warten mochten, hat er auch schon auf die Welt geholt. Und wenn dann bei einem stressigen Einsatz doch wieder alles gut gegangen ist, weil der Arzt rechtzeitig da war, denke man oft: „Es hat sich doch wieder gelohnt.“