Um als Landwirt mit der Mast oder mit der Milchproduktion über die Runden zu kommen. Die Psychologie spielt mit.
Konjunktur und Konsum haben viel mit Psychologie zu tun. Verzichten, wie jüngst gemeldet, viele Verbraucher in diesen Tagen deshalb auf den Kauf von Schweinefleisch, weil sie sich von den Schreckensmeldungen über die grassierende „Mexiko-Grippe” verunsichert fühlen, die so fälschlich wie plakativ „Schweinegrippe” genannt wird? Liegt es an der irreführenden Bezeichnung, dass die Schweinemäster unter den Landwirten wegen der gesunkenen Nachfrage für das Kilo nur noch 1,42 Euro statt der erwarteten 1,52 erhalten? Ist die „Schweinegrippe” Schuld, dass es den Schweinemästern so – pardon! - saumäßig schlecht geht?
Der psychologische Effekt, meint Friedhelm von der Bey, hat die Lage vielleicht etwas verschärft – entscheidend ist er nicht. Schwerer wiegt, dass das Geld heute knapper sitzt, dass manche Verbraucher auf ein oder zwei Fleischgerichte pro Woche verzichten. Doch für den Mülheimer Landwirt liegt eine der Hauptursachen für die prekäre wirtschaftliche Lage im viel zu trockenen Sommer 2007.
Als Folge schlechter Ernte verdoppelte sich der Futtermittelpreis und überforderte viele Ferkelzüchter finanziell. Das Überangebot an Ferkeln trieb die Kurse tief in den Keller, viele Betriebe mussten aufgeben. Von den wenigen verbliebenen Ferkelbetrieben, meint Friedhelm von der Bey, muss der Mäster heute – bei wieder deutlich gestiegenen Preisen – mit einem Schlag 200 Ferkel ordern, weil Spediteure für nur 20, 30 Tiere erst gar nicht mehr anrücken.
1000 Liegeplätze hat Von der Bey auf seinem Hof. Dreimal jährlich, nach der Mast von 30 auf 120 Kilo – wird der Bestand umgeschlagen. Macht 3000 bis 3500 Tiere pro Jahr, die zum Großteil zum Schlachthof Essen kommen. Der ist, wie manch anderer, zu klein, um die Handelsketten beliefern zu können. Die arbeiten mit Großschlachtern und locken dann mit Niedrigpreisen. Handel, Erzeuger und Großschlachter legen aber auch wöchentlich den Kilopreis fest, an dem sich Mastbetriebe wie der von Friedhelm von der Bey orientieren.
Und wenn dann der Preis plötzlich um zehn Cent hinter den Erwartungen zurückbleibt, kann das – bei 100 verkauften Schweinen mit einem Schlachtgewicht von jeweils 100 Kilo – ganz schnell zu einem Minus von 1000 Euro führen. Weshalb Friedrich von der Bey meint: „Von der Landwirtschaft kann man nicht mehr leben”. Das hat er schon vor 35 Jahren vorausgesehen – seither ist die Selbstvermarktung auf seinem Hof das Hauptstandbein des Betriebes.
Von der Milchproduktion hatte er sich schon 1970 verabschiedet – die lohnte schon damals nicht. Und die lohnt heute eigentlich weniger denn je, vor allem, nachdem die großen Lebensmitteldiscounter vor wenigen Tagen den Verkaufspreis pro Liter Milch wieder einmal um sieben auf 48 Cent gesenkt haben.
„20,7 Cent steht als Grundpreis auf meiner letzten Abrechnung”, sagt Herbert Hirche und betont, dass er als kleiner Betrieb, der auf dem Stand der 70er Jahre stehengeblieben sei, „nichts mehr zu melden” habe. Denn gerade einmal zwölf Kühe stehen frei auf der Wiese des Milchbauern. Zwölf Kühe – das bedeutet pro Tag rund 220 Liter Milch, die an die Molkerei FrieslandCampina gehen. Die Anfang April durch Zusammenschluss entstandene holländische Genossenschaft ist mit 16 000 Milcherzeugern die größte der Welt. Rund 45 Euro pro Tag erzielt Herbert Hirche, der zum Glück auch noch auf Hühner und Eier setzt, mit der Milch. Kein Wunder, dass der Milchbauer in Mülheim der letzte seiner Art ist.