In der Schreibwerkstatt der Klasse sieben am Karl-Ziegler-Gymnasium laufen die Stifte heiß. Geschichten mit Herz und Schmerz, von der großen Liebe und tragischem Schicksal wie diese.
Der Nazi Friedrich verliebt sich auf den ersten Blick in ein jüdisches Mädchen im Konzentrationslager. Als die Frau getötet werden soll, rettet sie der blonde blauäugige „Biodeutsche“. Beide fliehen vor den Faschisten, am Ende stirbt sie in den Armen des bekehrten Friedrich.
Traurig? Es kommt auf die Perspektive an: Elif (12), Berfin (12), Audrey (13) und Valentina (12) – das sind die Autorinnen dieses Dramas aus Dunkeldeutschland – haben einen Riesenspaß beim Erfinden. Wie soll das Mädchen heißen? „Ursula“, ruft die eine, „nö – Gudrun“, kichert die andere, „einen schönen Namen“, fordert die nächste. Personen, Orte – „irgendwo im Osten: Mecklenburg-Vorpommern“, „nein: Berlin!“ – und weitere Feinheiten entscheiden die Vier streng demokratisch oder nach Lust und Laune. Die vier Mädchen mit Migrationshintergrund sind fasziniert von einer Zeit, die zum Glück weder sie noch ihre Eltern erleben mussten: „Wir sind ja auch Ausländer“, erklärt Valentina den Reiz. Der Kitzel einer verbotenen Liebe zwischen den Kulturen, spielt ebenso eine Rolle.
Anderes Team, anderes Thema: Jeremie (13), Alexander (12) und Henri (12) wollen ganz bewusst eine Geschichte aus der eigenen Erfahrung erzählen. „Es geht um Mobbing, das in einem Amoklauf endet“, sagt Jeremie. Das kennen sie so ähnlich vom Schulhof. „Es gibt einen Jungen, der von vielen geärgert wird“, erzählt Henri. Der Amoklauf ist eine bis zum bitteren Ende gedachte Fantasie: „Wir wollen damit zeigen, welche Folgen Mobbing haben kann“, sagt Alexander.
Biografisches, Fantastisches, Kriminelles – in der Schreibwerkstatt ist alles möglich, was Jugendliche wollen. Da gibt es Emmas (12) gruselig-lustiges Halloween-Erlebnis, Ertugruls (13) wendungsreicher Banküberfall-Thriller und Sevils (12) schöne Teenagerromanze.
„Das Schreiben hilft dabei, sich selbst und die eigenen Gefühle zu verstehen“, erläutert Lehrerin Dorothee Schepers den Grund für die Werkstatt. Denn gerade in der Pubertät verschließen sich Jugendliche häufig.
Den Anschub zum Schreiben gibt der Wuppertaler Autor Hermann Schulz (siehe Kasten). Er zeigt, wie man die eigene Fantasie professionell zu Blatt bringt: „Wie kriecht man in eine Person?“, fragt der Autor. Man muss Entscheidungen treffen, Gefühle beschreiben, die Person mögen, die man beschreibt und glaubwürdig sein, sagt er.
Die wichtigste Entscheidung fängt aber mit dem ersten Wort an: Heißt es „Ich“ oder „Er“? Das zeigt schon, wie nah man am Hauptcharakter ist. Doch verräterisch ist das Schreiben immer, weiß Schulz aus eigener Erfahrung: „Je mehr man von sich verstecken will, desto mehr gibt man von sich preis.“ Für die Jugendlichen gelten natürlich noch andere Maßstäbe: „Alles geht, nur langweilig darf es nicht sein“, sagt Audrey.