Vor 30 Jahren interessierte sich der Verbraucher noch nicht fürs Energiesparen, und beim Telefon- oder Energieanbieter hatte noch keiner die Qual der Wahl.
Abgezockt wurde der arglose Bürger noch persönlich von den Drückerkolonnen an der eigenen Haustür – der Internet-Betrug war ja noch nicht erfunden.
Seit 30 Jahren ist die Verbraucherberatungsstelle in Mülheim Anlaufpunkt für kritische, neugierige und verzweifelte Mülheimer, die sich Informationen und Hilfe erhoffen. Und sie dort auch bekommen.
Christiane Lersch, seit einem Jahr Leiterin der Beratungsstelle, die inzwischen an der Leineweberstraße 54 liegt, weiß, was die Menschen vor 30 Jahren beschäftigte: „Das war noch die klassische Haushaltsgeräteberatung“, so die 46-Jährige. Die Ökotrophologin Lersch berät selbst seit zwei Jahrzehnten die Verbraucher. Trockner und Spülmaschinen waren 1980 noch Luxus, teuer und begehrt in deutschen Haushalten. Im Jahr 1980 war der Energieverbrauch eines Gerätes noch absolut zweitrangig. „Damals waren die Kühlschränke die größten Stromfresser.“ Das hat sich längst geändert: „Energiekosten sind heute ein riesiges Thema – die Leute merken das ja in ihrem Portemonnaie“, sagte Lersch.
1980 bekamen die Verbraucherberatungsstellen bundesweit erstmals die Rechtsberatungsbefugnis – „Mülheim konnte die außergerichtliche, verbraucherrechtliche Beratung von Anfang an bieten“, erzählt Christiane Lersch. Und worum ging es damals? „Meist ums Kaufvertragsrecht, etwa, wenn ein Möbelgeschäft die Lieferfristen nicht eingehalten hatte.“
Heute macht die rechtliche Beratung einen großen Teil der Arbeit aus: Beraten wird zumeist im Bereich Telekommunikation und Gewinnspiele. Gewinnspiele und auch Kaffeefahrten gab es vor 30 Jahren schon. Christiane Lersch nimmt es mit Humor: „Wenn sich da gesetzlich nichts ändert, berate ich hier noch bis zu meiner Rente.“
Das Umweltbewusstsein der Verbraucher schärfte sich mit der Zahl der Skandale, die sie verarbeiten mussten. „Die Skandale der 1980er waren die mit Glykol gepanschten Weine und die belasteten Lebensmittel seit der Tschernobyl-Katastrophe“, sagt die Verbraucherberaterin. Dioxin im Shampoo, Tenside im Waschpulver, Hormone in der Babykost, später waren es BSE, Acrylamid und die Hühnerpest, die besorgte Bürger um Rat fragen ließ.
Heute sind die Bürger an Umweltfragen sehr interessiert. Wie informiert ist der Verbraucher? Kennt er – oder sie – die Rechte und die Pflichten? „Teil, teils“, sagt Christiane Lersch. „Im Reiserecht sind die Leute gut informiert.“ Dafür gebe es immer noch Verbraucher, die am Samstag einen Vertrag unterschreiben und sich dann wundern, dass sie am Montag nicht vom Kauf des Sofas zurücktreten könnten. Es mangele aber oft auch an der Kenntnis über die kleinen Dinge. Etwa daran, bei einer Reklamation etwas schriftlich zu machen, eine Frist zu setzen. „Die Verbraucher sind oft unglaublich geduldig“, hat Christiane Lersch erfahren. Vom Verbraucher wird heute viel Eigeninitiative verlangt. Die Deregulierung hat das Leben nicht einfacher gemacht. Beispiel Telekommunikation: „Sie können heute unter 20 000 verschiedenen Tarifen wählen.“ Auch im Gesundheitswesen und bei der Altersvorsorge geht es immer häufiger um die richtigen Antworten auf die Frage: Was brauche ich wirklich, was passt zu mir?
Wie kommt die Beratung bei steigendem Beratungsbedarf mit? „Wir haben ständig Fortbildungen, werden faktisch und methodisch-didaktisch geschult“, sagt Lersch. Was müssten die Verbraucher unbedingt noch lernen? „Bei der finanziellen Verbraucherbildung gibt es noch Defizite. Wenn eine Entscheidung massive wirtschaftliche Konsequenzen hat, sollte man schon wissen, was man da macht.“