Die „Daten zur sozialen Lage in Mülheim an der Ruhr“ belegen nicht nur eine deutliche Konzentration sozial Benachteiligter in einigen wenigen Stadtteilen – in Eppinghofen und Styrum – sie zeigen auch die Folgen für Kinder.

Wirklich überrascht hat die Berichterstattung im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales wohl niemanden. „Gefühlt gewusst“, sagte Vorsitzender Johannes Gliem etwa, habe man es vorher schon. Doch nun haben die Politiker Zahlen, um das Gefühl zu untermauern.

„Wir müssen uns klar werden, dass Kinder in verschiedenen Stadtteilen grundverschiedene Kindheiten haben“, stellte Sozialdezernent Ulrich Ernst im Ausschuss dem Vortrag voran. Volker Kersting und Ingo Kurosch vom Amt für Stadtforschung und Statistik zeigten in den folgenden 45 Minuten recht deutlich, was dies im Einzelnen bedeutet. Erstmals nutzen die Statistiker Ergebnisse aus der Schuleingangsuntersuchung – laut Kersting nicht nur für Mülheim ein Novum, sondern ein grundsätzlich neuer Ansatz: Einen kompletten Jahrgang, rund 1300 Kinder unter sechs Jahren, habe man so erfasst und wertvolles Datenmaterial erhalten.

Ein Grundsatz, der wohl auch kaum überrascht, zieht sich durch die gesamte Analyse: Je geringer der Bildungsstand der Eltern, desto größer die Probleme der Kinder. Oftmals geht dies einher mit finanzieller Armut und Migrationshintergrund. Kinder aus bildungsfernen Familien besuchen seltener Sportvereine (35,5% zu 82,7%), hängen dafür aber öfter mindestens zwei Stunden täglich vor elektronischen Medien (46,6% zu 21,1%). Sie haben öfter Übergewicht und sonderpädagogischen Förderbedarf. Jedes dritte Kind von Eltern mit geringer Bildung weist Sprachauffälligkeiten auf, gar fast die Hälfte hat nicht alle Vorsorgeuntersuchungen besucht. Zugleich gehen die Kinder oftmals später und somit kürzer in die Kindertagesstätte, wo man, so Kersting, „dem entgegenwirken könnte. Das verschärft das Problem.“ Denn je früher Kinder gefördert werden, desto größer ist – wieder laut Statistik – der „Ertrag aus Bildungsinvestitionen“.

Die Daten belegen für Volker Kersting zudem klar eine ernstzunehmende Entwicklung: „Mülheim ist eine zweigeteilte Stadt.“ Denn verknüpft man die gesammelten Fakten mit Stadtteilen, offenbart sich eine Konzentration dieser „Problemlagen“ in den nördlichen Stadtteilen und besonders in Eppinghofen und Styrum.

Kinder in die Sportvereine und Kitas zu holen, ist für Kersting ein Ansatz, um Kinder zu fördern. Warum aber diese Angebote, die teils für sie kostenlos sind, von sozial schwächeren Familien bislang nicht angenommen werden, sagen die Daten noch nicht. Das auszuwerten, ist für Statistiker der nächste Schritt. Die Ausschussmitglieder wollen die Zahlen zur Grundlage künftiger Überlegungen machen. Auch Dezernent Ulrich Ernst betonte: „Den verschiedenen Kindheiten wollen wir entgegenwirken.“