Wer über den Altstadtfriedhof schlendert, bemerkt so manche prachtvolle Gruft. Bärbel Essers interessiert sich jedoch mehr für die Geschichten der weniger bekannten Menschen, die hier ihre letzte Ruhestätte fanden.
Zum Beispiel der Königliche Postdirektor Friedrich Wilhelm Ohmann, dessen über 100 Jahre alte Grabplatte erstaunlich gut erhalten ist – sieht man von einigen fehlenden Messingbuchstaben ab. „Vermutlich gestohlen“, mutmaßt Bärbel Essers.
Die Mülheimer Familienforscherin dokumentiert die Gräber auf dem alten Friedhof und will im Jahr 2012, wenn der Altstadtfriedhof 200 Jahre alt wird, ihre Ergebnisse veröffentlichen. „Rund 6500 Menschen, die dort begraben wurden, habe ich bereits in meiner Datenbank“, berichtet sie, und wer eine Frau sieht, die mit dem Zollstock über den alten Friedhof geht, kann ziemlich sicher sein, das dies Bärbel Essers ist. Schließlich will sie ganz genau wissen, wo die Person begraben ist, mit der sie sich gerade beschäftigt.
Bei Friedrich Ohmann, dessen Grab zwischen den Feldern für die Kriegsgräber in der Nähe der Straße Lohscheidt liegt, war das nicht so schwierig. Auf seiner gut erhaltenen Grabplatte stehen nicht nur Name, Lebensdaten – 1855 bis 1898 – sondern auch sein Beruf. Und er hat einige Spuren in der Stadt hinterlassen. Wer war dieser Mann, der nur 42 Jahre alt wurde? Und woran starb er?
Bärbel Essers zuverlässigste Quellen sind historische Standesamts-Unterlagen, Amtsblätter und alte Zeitungen. Ohmann, so fand sie heraus, starb an einer „Hirngeschwulst“, die ihn zuvor auch noch erblinden ließ. Seine Frau Agnes überlebte ihn um 28 Jahre.
Die Amtszeit von Postdirektor Ohmann, der 1894 von Frankfurt an der Oder an die Ruhr versetzt wurde, fiel genau in die Bauzeit der neuen Post auf dem Schollenfeld, dem späteren Viktoriaplatz. Eben das Gebäude, das wir heute die Alte Post nennen. Von 1895 bis 1897 wurde es errichtet. Ohmann konnte sich aber nicht lange an dem schönen Haus erfreuen: „Der Tod erlöste ... nach langem qualvollen Leiden und äußerst schmerzhaftem Krankenlager unseren Mitbürger Herrn Postdirektor Ohmann“ berichtete die Mülheimer Zeitung am 10. September 1898, einen Tag nach Ohmanns Tod. Und sparte nicht mit Lob: „... ein überall geschätzter Mensch, der sich durch seine freundlichen Umgangsformen ... die Achtung und Zuneigung aller zu erringen wußte...“
Wie beliebt der Mann war, zeigte sich offenkundig auch bei seiner Beisetzung. Von einem „überaus zahlreichen Trauergefolge“ berichtete die Mülheimer Zeitung am 12. September 1898.
Im Nachbargrab ruht übrigens sein Sohn Rudolf Ohmann, Jahrgang 1885, der, auch das ist noch auf dem Stein zu lesen, 1940 als „Reedereidirektor“ starb. „Der Sohn“, fand Bärbel Essers heraus, „hat Karriere gemacht.“ Wer es genau wissen möchte: Er war Leiter der Schifffahrtsbetriebe Vereinigte Stinnes Rheinreedereien in Duisburg-Ruhrort.