Mülheim. .

Stell dir vor, es brennt in deinem Haus, du kommst nicht raus, und siehst die Feuerwehr entfernt stehen, weil das große Löschfahrzeug nicht durchpasst durch die schmale Furt unbedacht abgestellter Pkw der Nachbarn?

Eine krasse Situation, zweifelsfrei. Undenkbar ist sie nicht – und im Fall eines Mülheimers, der bei einem Brand ums Leben gekommen ist, ermittelt auch immer noch die Staatsanwaltschaft, ob ein Pkw-Halter die schnelle Hilfe blockiert hat.

Gestern Morgen. Ordnungsamt und Polizei brechen zu ihrer November-Aktion auf; mit dabei: die Feuerwehr mit einem 2 Meter 50 breiten und acht Meter langen Löschfahrzeug, der Drehleiterwagen misst gar zwölf Meter. Auch er muss durchkommen, wenn’s brennt. Mit ihrer Fahrt durch die östliche Innenstadt wollen die Ordnungspartner zeigen, wo es eng wird im Notfall. Tatsächlich gibt’s den einen oder anderen Engpass, durch die die schnelle Hilfe im Notfall ausgebremst würde, auch wenn es heute nirgends so eng ist, dass Fahrzeugführer Berthold Chilla (58) seinen Wagen nicht doch gekonnt am Hindernis vorbeirangieren kann.

Böswilligkeit unterstellt Chilla Bürgern nicht, die ihr Auto so parken, dass das Löschfahrzeug nicht mehr durchkommt. Eher Gedankenlosigkeit. „Die denken einfach nicht dran, dass wir im Notfall hier her müssen. Sie gucken nur, ob ein Pkw noch Platz hat.“ Sie parken weit weg vom Bordstein, so dass keine drei Meter Fahrbahn mehr frei sind, lassen ihr Heck weit aus der Parkbox ragen, parken außerhalb von Markierungen, zu nah an Einmündungen oder . . . Wenn die Feuerwehr so etwas sieht, heftet sie Zettelchen an die Windschutzscheibe: „Wir helfen Ihnen gerne, wenn Sie uns lassen.“

Chilla erinnert sich an eben diesen einen Alarm. Ein Wohnungsbrand an der Ludwig-Wolker-Straße. „Wir sind da massiv aufgehalten worden durch ein parkendes Fahrzeug“, erinnert sich der Einsatzplaner der Berufsfeuerwehr. Am Ende starb ein Mann in den Flammen . . .

Wenn’s mal nicht weitergeht im Ernstfall, kann die Wehr nicht auf den Abschleppdienst warten. „Wir können ja nicht sagen: Legen Sie noch mal ein Stück Holz nach, damit es richtig brennt, wenn wir kommen“, sagt’s Chilla mit einem Schuss Zynismus. Die Besatzung selbst springt raus, Feuerwehrmänner bringen das im Weg stehende Auto mit voller Kraft zum Wippen und an die Seite. Oder sie bringen Schüppen oder kleine Rollwagen unter die Reifen, das schafft auch Probleme aus dem Weg. Aber es hält auf, vor allem wenn die Mannschaft schon volle Montur mitsamt Atemschutzgerät angelegt hat.

Löschwagen und Drehleiter brauchen gerade Platz in Kurven. In reinen Wohngebieten, auch in der Altstadt, wird es da eng, vor allem in den Abendstunden, wenn alle Anwohner ihr Auto vor der Haustür abstellen. Doch auch gestern bei der Probefahrt wird’s an manchen Stellen kniffelig, etwa als Chilla den großen Wagen vom Muhrenkamp hoch in die Gerberstraße steuern will. Gleich auf beiden Seiten parken Autos direkt in der Einmündung, die vorgeschriebenen fünf Meter zum Scheitelpunkt der Kurve sind nicht frei. Zentimeterarbeit. Chilla muss rangieren. Wenn’s jetzt dunkel wäre: kaum zu schaffen. Am helllichten Tag schafft er es, wenn auch mit Mühe. Durchs offene Seitenfenster schnauzt derweil ein Senior: „Die Stadt Mülheim soll sich was schämen. Das möchte ich nicht sehen, wenn’s brennt.“ Als wenn die Stadt die Autos dort abgestellt hätte . . .

Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes verpassen den Falschparkern ein Knöllchen, 25 Mal werden sie dies an diesem Morgen tun. Immerhin: Abgeschleppt werden muss niemand. Doch Minuten, im Notfall entscheidend, die gehen verloren.

„Wir werden vermehrt auf Einmündungen Acht geben“, bilanziert Bernd Otto, stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes, später die Aktion. Die Straßenverkehrsabteilung der Stadt soll nun auch prüfen, ob gegebenenfalls in kritischen Bereichen Markierungen aufgebracht werden, die das Parkverbot deutlicher machen.