Bleibt das denkmalgeschützte Haus der Jugendherberge am Kahlenberg für die Öffentlichkeit zugänglich oder wechselt es in Privatbesitz?
Die Antwort auf diese Frage ist wieder offen: Der Essener „Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet“ (VKJ) will das Haus als Kinderherberge erhalten – und hat nun das von der Stadt geforderte Nutzungs- und Finanzierungskonzept ausgearbeitet.
Gegenüber der WAZ zeigte sich VKJ-Geschäftsführer Oliver Kern gestern irritiert, dass die Stadt seinen Verein bei der Suche nach einem Käufer für die stadtbildprägende Immobilie am Ruhrufer bislang nicht einmal angesprochen hatte. Der VKJ hatte schon im März 2009 sein Interesse an der Jugendherberge bekundet, als der Vertrag mit dem aktuellen Pächter-Ehepaar absehbar auslief. Auf das Angebot des Vereins, die Herberge per symbolischem Erbpacht-Zins von jährlich einem Euro und mit 130 000 Euro Zuschuss aus dem Stadtsäckel zu übernehmen und weiter zu betreiben, war die Stadt seinerzeit nicht eingegangen. Man habe nicht einmal eine offizielle Antwort bekommen, so Kern.
Aus der Zeitung erfuhr Kern, der Ende 2009 vom Mülheimer Unternehmer Treff als „Unternehmer des Jahres“ ausgezeichnet worden ist, dann vor Kurzem von den Verkaufsabsichten und wunderte sich, dass niemand von der Stadt beim VKJ ein mögliches Interesse abklopfte. Die mit der Käuferakquise betraute Wirtschaftsförderung M&B, so entschuldigt deren Chef Jürgen Schnitzmeier, habe gar nicht Kenntnis bekommen von dem alten VKJ-Angebot. Man sei nun aber noch bereit, ein ausgearbeitetes Angebot zu prüfen, wenn es denn vorgelegt werde.
Der VKJ reagierte prompt, der WAZ legte der Verein bereits gestern ein zehnseitiges Nutzungs- und Finanzierungskonzept vor. Aus der Jugendherberge soll demnach die „Kinderherberge Villa Kunterbunt“ werden. Mit einer Investition von rund einer viertel Million Euro soll das Haus auf modernen Standard gehoben werden.
Dem VKJ schwebt eine Herberge für Kinder ab Kita-Alter vor. „Jugendherbergen sind mittlerweile richtige Hostels und sehr weit weg von dem, was wir als Kinder in Jugendherbergen erlebt haben“, sagt Kern (45). Sein Verein möchte ein Herberge nach altem Stil schaffen – wo Kinder auch lernen, im Haushalt anzupacken, Betten zu machen, wo sie beim Tischdecken, Kochen und Abspülen helfen, wo ein Stück Gruppensozialisation stattfinden kann, an der es in vielen Familien heute mangelt. Über sein vorhandene Strukturen will der Verein an der Ruhr einen Erziehungs- und Bildungsauftrag annehmen.
Die alte Wohnung der Herbergseltern soll als Ferienwohnung für Familien umgebaut werden. Das Haus soll nicht nur Herberge sein, sondern auch Raum bieten für Seminare und Workshops, ebenso für Feste oder Klassentreffen à la „Übernachten wie in alten Zeiten“. Der VKJ würde das Haus zudem gerne als Ausflugsziel etablieren – hierzu seien Saal und Terrasse „bestens geeignet“. Angedacht ist auch eine Anbindung an die Weiße Flotte, eventuell mit eigenem Anleger. Die VKJ-eigene Familienbildungsstätte soll ebenfalls an der Ruhr wirken können.
900 000 Euro bietet der VKJ für die Jugendherberge. Die Kaufsumme sowie das Geld für die Modernisierung und auch die Restaurierung der maroden Stützmauer sollen durch Sponsoren, Investoren und einen Kredit der Hausbank zusammenkommen. „Die Kontakte bestehen bereits“, sagt Kern. „Wir sind kein Taubenverein, wir sind liquide. Ich gehe davon aus, dass wir es schaffen können“, verweist er auf 6 Mio Euro Umsatzerlös, den der VKJ jährlich erzielt.
Bei der Kalkulation der Betriebskosten offenbart sich – bei vorsichtiger Annahme von 70-prozentiger Auslastung – zwar ein Finanzierungsloch von circa 30 000 Euro pro Jahr, doch glaubt der VKJ auch dies locker stopfen zu können. Kern gibt sich selbstbewusst: „Das hole ich über eine Spende wieder rein.“