Mülheim. .
Regina Palkovits ist 30 Jahre jung, hat schon mehr Preise gewonnen als mancher altgediente Professor, und am Montag bekommt sie ihre bisher schönste Auszeichnung: den Innovationspreis 2010 des Landes.
Sie ist im Ruhrgebiet groß geworden. Als Mensch und als Wissenschaftlerin: Regina Palkovits kam mitten im Revier, in Essen-Rüttenscheid zur Welt, hat in Dortmund studiert, in Bochum den „Doktor” gebaut, und sie forscht bei „Max-Planck” in Mülheim.
Regina Palkovits denkt meist einen Moment nach, bevor sie etwas sagt. Die junge Frau mag es gern genau, und das muss sie auch als Naturwissenschaftlerin. Es bereitet ihr Vergnügen, Besucher durch das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung zu führen, durch Korridore und Treppenhäuser, vorbei an Kollegen mit weißen Kitteln und dampfenden Laboren. „Hier kann man sich verlaufen”, sagt sie. Hier kann man aber auch beruflich etwas erreichen. Denn das Institut genießt in Fachkreisen einen besonderen Ruf. „Es gibt keine Übersetzung für uns. Der deutsche Institutsname ist unser Label”, erzählt Palkovits stolz. Sie sagt „unser”, aber das ist eigentlich nur noch die halbe Wahrheit. Denn die Forscherin ist nach sieben Mülheimer Jahren auf dem Sprung nach Aachen, als Professorin an der RWTH.
Die Technische Hochschule sucht Menschen wie Regina Palkovits. Männer und Frauen, mit deren Hilfe es möglich sein wird, Biomasse in Kraftstoffe zu verwandeln. Die Mülheimerin erforscht sozusagen den Sprit der Zukunft. Nicht herkömmlichen Biosprit aus Raps- oder Palmöl. Sie experimentiert mit Lignocellulose, mit dem Baustoff, aus dem praktisch jede Pflanze besteht. „Dieser Stoff ist überall verfügbar. Wir gewinnen ihn aus Holzstücken, Gras oder schlicht aus dem, was nach der Ernte noch auf dem Feld liegt. Die Cellulose wird umgesetzt in Zucker-Alkohole, und die kann man zu Kraftstoffen weiterentwickeln.” Sie geben Vehikeln Kraft, die mit Elektromotoren schwerlich betrieben werden können, wie zum Beispiel Flugzeuge oder schwere Lastwagen.
Heißt es nicht immer, dass es der Nachwuchs furchtbar schwer hat in der Wissenschaft? Vor allem die Frauen in den Natur- und Technikwissenschaften? Die Chemieingenieurin hat sich von Statistiken und Bangemachern nicht beeindrucken lassen. „Du kannst deinen Platz finden im Wissenschaftsbetrieb. Aber dafür musst du immer präsent sein, Leute auf Kongressen und Konferenzen kennenlernen und damit Teil eines Netzwerkes werden”, sagt sie. „Präsent sein” heißt aber vor allem richtig viel arbeiten. Palkovits hat mal „nur so aus Spaß ” mit einer Stempelkarte im Institut herumexperimentiert. Nach sechs Wochen hatte sie 100 Überstunden auf der Karte. Man tue aber gut daran, die Stunden gar nicht so genau zu zählen: „Ich habe heute eine runde 50-Stunden-Woche am Arbeitsplatz, aber zu Hause geht es dann ja weiter: Mails durchsehen, Fachartikel lesen, Manuskripte tippen...”
Der Lohn für so viel Fleiß ist ein Traumjob, in dem sie „Dinge ausprobieren kann, die noch kein Mensch zuvor gemacht hat.” Und sie glaubt, dass sie als Forscherin freier ist als der Durchschnitts-Berufstätige. „Ich kann weitgehend selbstbestimmt arbeiten und es mir aussuchen, mit wem ich wann und was arbeite.”
Der Innovationspreis, den Regina Palkovits in der K21 Kunstsammlung in Düsseldorf bekommt, ist einer von vielen und dennoch ein spezieller. „Der hat schon einen anderen Charakter als ein Preis, der von Fachkollegen verliehen wird. Es ist schön, wenn Anerkennung von Politik und Öffentlichkeit kommt.”
Wissenschaft, glaubt sie, müsste ohnehin viel sichtbarer sein. Im Elfenbeinturm versauert der Forscher, und er wird die alten, schrägen Klischees nicht los. „Bei ,Professor’ denken doch immer noch viele an ehrwürdige Herren, dabei ist die Forschungslandschaft deutlich vielfältiger.” Und daran zweifelt in ihrer Gegenwart jedenfalls niemand.