In der Nacht zum 10. November 1938 brannte auch die Mülheimer Synagoge und verschwand nur 31 Jahre nach ihrem Bau von der Bildfläche.

Am Abend des 9. November 1938 schlugen sie los: Die Faschisten zündeten die rund 1500 Synagogen in ganz Deutschland an, legten die jüdischen Gotteshäuser in der Dunkelheit der Nacht in Schutt und Asche, verhafteten und verschleppten zehntausende jüdische Deutsche. Überall sah die Polizei nur tatenlos zu. Und überall achtete die sonst so gewissenhafte Feuerwehr lediglich darauf, dass der Brand nicht auf angrenzende Gebäude übergriff. Auch in Mülheim gab es ein Inferno…

Dabei lebten auch hier seit Ende des Mittelalters Juden, Christen und Atheisten weitgehend friedlich zusammen, zumindest äußerlich. Um 1900 hatte die Jüdische Gemeinde etwa 650 Mitglieder. Die bereits erweiterte alte Synagoge am Notweg konnte die Gläubigen um die Jahrhundertwende nicht mehr fassen. 1907 wurde die neue, repräsentative Synagoge an der Viktoriastraße mit einem Gottesdienstraum für 550 Sitzplätze eingeweiht. Das Gebäude mit seiner imposanten Architektur eines 35 Meter langen, 20 Meter breiten und 30 Meter hohen Kuppelbaus wurde von den Zeitgenossen als eine „glückliche Vereinigung“ von „überlieferter und neuzeitlicher Baukunst“ und als eine „Zierde für die Innenstadt Mülheim“ gerühmt.

Doch seit Hitlers Machtergreifung nahmen Druck und Verfolgung auch auf die Jüdische Gemeinde Mülheim von Jahr zu Jahr zu. Im Juli 1938 sah sich der Vorstand der Gemeinde gezwungen, die Synagoge der städtischen Sparkasse zum Kauf anzubieten. Am 7. Oktober 1938 ging das Gebäude zu einem Verkaufspreis von 56 000 Reichsmark in deren Eigentum über. Ausgeschlossen vom Kauf war die Inneneinrichtung einschließlich der Kultgegenstände. Die Verhandlungen, die dem Verkauf vorausgingen, wurden nach dem Krieg von der Sparkasse als „in freundschaftlichem Geiste“ gehalten charakterisiert . . .

Dennoch wurde auch die Mülheimer Synagoge in der Nacht zum 10. November 1938 in Brand gesteckt. Etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht wurde sie unter Aufsicht des Feuerwehrmajors und SS-Sturmbannführers Alfred Freter angezündet, zum Teil gesprengt. Die Feuerwehr hatte darauf zu achten, dass die Flammen nicht auf angrenzende „arische“ Gebäude übergriffen. Ein Augenzeuge aus dem Nachbarhaus berichtet: „In der Nacht wurden wir durch zwei heftige Explosionen buchstäblich aus den Betten geworfen. Das Dach und die Hinterfront unseres Hauses waren schwer beschädigt. Von der Synagoge abgesprengte Splitterteile waren durch die Wucht der Explosion in unsere Schlafräume geschleudert. Die Synagoge brannte.“ Von der Synagoge blieben nur noch die Umfassungsmauern stehen. Dem Zerstörungswerk wurde durch Brechstangen, Äxte und ähnlichem Gerät nachgeholfen.

Offensichtlich war den Mordbrennern bei ihrer Tat nichts von den neuen Eigentumsverhältnissen bekannt, so dass sich die „Schlesische Feuerversicherungs-Gesellschaft Breslau“ gezwungen sah, der Sparkasse der Stadt Mülheim eine „freiwillige Ersatzleistung“ in Höhe von 85 000 Reichsmark zu zahlen. Das war ein profitables Geschäft für das städtische Geldinstitut und ein schnelles dazu: Innerhalb eines Monats hatte die Sparkasse einen Immobiliengewinn erzielt. Für ein Gebäude, von dem lediglich die Grundmauern erhalten geblieben waren und das die Bank ohnehin zur eigenen Nutzung abgerissen hätte.

Es war ein Pogrom, der die Mülheimer Juden völlig überraschend traf. Etwa 80 jüdische Mülheimer wurden festgenommen, zum Teil in das KZ Dachau verschleppt. Einige wurden nach Wochen unter Auflagen entlassen, um ihre Geschäfte aufzulösen und ihre Emigration vorzubereiten. Über das, was ihnen im Lager angetan worden war, mussten sie schweigen.

Im Februar 1939 wurden die zerstörten Reste der Mülheimer Synagoge durch eine Essener Firma vollständig abgetragen. Das religiöse Leben der noch verbliebenen, noch nicht emigrierten oder deportieren Gemeindemitglieder verlagerte sich in das Gemeindehaus an der Löh­straße 53.

Am 6. September 1990 beschloss der Stadtrat zunächst die Umbenennung des Viktoriaplatzes in „Viktoriaplatz/Platz der ehemaligen Synagoge“. Heute heißt er nur noch Synagogenplatz.