Mülheim. .

Die hausärztliche Versorgung könnte sich in den nächsten Jahren in Mülheim spürbar verschlechtern. Hausärzte sind im Schnitt deutlich älter als Fachärzte. Jeder fünfte Hausarzt erreicht bis 2015 die Altersgrenze. Und dann?

Der Chef der Ärztekammer in Mülheim, Uwe Brock, setzt ein großes Fragezeichen. „Wir bräuchten in Nordrhein bis 2015 rund 250 neue Hausärzte, tatsächlich wird nur noch mit etwa 100 gerechnet, die auf den Markt kommen.“

Lieber Facharzt, sagen sich viele Studenten, wenn sie denn überhaupt nach dem Studium ihr Geld als Arzt und dann noch in Deutschland verdienen wollen. Gerade mal noch 14 Prozent der Medizinstudenten streben als Ziel Hausarzt an. Noch nie, so Brock, sei das Verhältnis von Fach- zu Hausärzten so extrem gewesen.

Konsequenz für eine Stadt wie Mülheim wäre, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre jede zweite frei werdende Hausarztpraxis nicht mehr besetzt würde. Das könnten fünf Praxen sein, betroffen wären davon jedoch mehrere tausend Patienten, die dort versorgt werden. Wohin sollen sie dann?

Höhere Fehler-Gefahr

Schon jetzt, sagt Brock, seien viele Kollegen voll ausgelastet. Eine weitere Vergrößerung des Patientenstammes hieße nicht nur längere Wartezeiten, sondern es erhöhe sich auch die Gefahr von Fehlern. Die Belastung von Ärzten habe Grenzen, sagt der Vorsitzende der örtlichen Ärztekammer und fürchtet eine verstärkte Flucht in die Ambulanzen der Krankenhäuser.

Dabei seien diese für solche Fälle gar nicht vorgesehen und auch nicht ausgestattet. Ein vermehrtes Patientenaufkommen ist in den Kliniken bereits festzustellen. Patienten betrichten von stundenlangen Wartezeiten.

Die Engpässe, betont Brock, die sich verstärkt auftäten, hätten ihre Ursache aber auch in einer Berechnungsgrundlage, in der die Zahl der zulässigen niedergelassenen Ärzte für eine Stadt oder Region festgegelegt sind. Diese Berechnungslage stammt noch aus den 90er Jahren und gibt vor, wie viele Bürger auf einen Facharzt oder Hausarzt kommen dürfen. „Wir haben im Ruhrgebiet die schlechteste Konstellation in ganz Deutschland“, beklagt Brock. Auf 2134 Bürger kommt ein Hausarzt. Zum Vergleich: In ländlichen Kreisen wurde die Quote von einem Arzt pro 1474 Patienten festgelegt. Allein nach dieser Berechnungsgrundlage besteht aus Sicht vieler Hausärzte schon jetzt eine Unterversorgung.

In anderen Bundesländern gibt es mehr Geld

Natürlich spielt auch Geld eine Rolle. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das gilt für niedergelassene Ärzte schon lange nicht mehr. Genau 33 Euro erhält ein Hausarzt pro Kassenpatient und pro Quartal im Ruhrgebiet, egal, wie oft der Patient besucht, betreut, behandelt wird. Hätte der Arzt sich in Thüringen, Bayern oder in Baden-Württemberg niedergelassen, könnte er mit 47 Euro, also rund 50 Prozent mehr, rechnen. Für Brock wird auch dieses extreme Ungleichgewicht sich auswirken: Junge Leute werden sich dort niederlassen, wo die Verdienstmöglichkeiten besser sind. „Wenn sie nicht darauf achten, wird es ihre Bank tun.“ Die Vergütung pro Quartal ist aus Sicht der Ärztekammer ein wichtiger Standortfaktor.

Besonders schwer könnten es eines Tages gerade jene Stadtteile haben, wo es wenige Privatversicherte gibt. Um betriebswirtschaftlich über die Runden zu kommen, so Brock, seien Hausärzte auf Privatpatienten angewiesen.