So stellt man es sich vor: Pressekonferenz im Mannschaftsquartier, die letzte vor dem Abflug zur Weltmeisterschaft. „Wir haben hervorragend gearbeitet“, ist da zu hören, „wir können’s schaffen“.

So läuft sich auch die Bewerberstadt Mülheim warm für den Countdown ihrer Innovation-City-Bewerbung. Am 4. November entscheidet eine 16-köpfige Jury, welche der fünf Finalbewerbungen Erfolg haben wird: Es wird nur eine Niedrigenergie-Pilotstadt im Ruhrgebiet geben. Etwa Mülheim?

Demonstratives Schweigen bei Dezernentin Helga Sander, Jürgen Schnitzmeier, dem Chef der Wirtschaftsförderung M&B, und dem Kernteam für die Mülheimer Bewerbung mit Projektleiterin Ulrike Marx, Katrin Witzel, VerwaltungsAzubi Philipp Steinkamp und Susanne Dickel (Klima-Initiative). Mülheim ist nicht Maradona – und tut im Vorfeld der Jury-Entscheidung wohl auch gut daran, sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Wer das tut, kann bekanntlich tief fallen. Und so fallen nur diese Worte: „Wir haben wirklich harte Arbeit von allen Beteiligten hinter uns“, sagt Sander mit Blick auf die zwei, drei Monate, die eine große Mülheimer Mannschaft an der exakt 60-seitigen Bewerbungsmappe gefeilt hat.

Im Technischen Rathaus musste man in den Wochen vor dem Abgabetermin nur mal mit Mitarbeitern der Verwaltung im Aufzug stehen, um ein Bild davon zu bekommen, wie viel Energie Mülheim in die Bewerbung gesteckt hat. Kaum jemand in den Bereichen Planen, Bauen, Umwelt, der nicht irgendetwas aufzubereiten hatte.

Herausgekommen, so Sander gebetsmühlenartig, sei eine Bewerbung für das 1305 Hektar große Projektgebiet zwischen Broich und Winkhausen, die schon durch ihre umfassende Datenbasis zu beeindrucken wisse: Wie viel CO2-Emissionen, wie viel versiegelte Fläche, wie viel Bausubstanz aus welchen Baujahren, wie viel Wärme- und Stromverbrauch – „wir wollten ein realistisches Konzept vorlegen, ohne Schönrech­­nerei“, sagt Sander, wohl im Hinterkopf habend, dass eben eine gesunde Datenbasis ein Pfund sein könnte, mit dem Mülheim bei der Jury punktet. Ehrlich sagt Mülheim etwa auch, dass die CO2-Emissionen im Projektgebiet eben nicht, wie in der Ausschreibung vom Initiativkreis Ruhr gefordert, innerhalb von zehn Jahren um die Hälfte gesenkt werden könnten. Realistisch seien 41 % (175 000 Tonnen).

Konzeptionelle Schwerpunkte für die Umsetzung von Klimazielen sind in Mülheim eine dezentrale Energieversorgung, klimafreundliche Mobilität („Stadt der kurzen Wege“), explizit eingebunden sind Gewerbe und Industrie. Dabei könnte auch den Mannesmannröhren Werken eine große Bedeutung zukommen. Die Stadt sähe es gerne, wenn die in den Fertigungsprozessen dort anfallende Wärme genutzt würde für den Bedarf im Wohnumfeld – ein Forschungsprojekt soll die Realisierungschancen abklopfen.

Wohnen und Gewerbe, Otto Normalbürger und Unternehmer – alle sollen dafür gewonnen werden, im Zeichen des Klimaschutzes zu wirken, zu investieren. Fünf Beratungscenter für Bürger sollen entstehen, daneben wollen Stadt und Klima-Initiative bei Veranstaltungen, in Organisationen für privates Engagement bzw. Unterstützung der Ideen werben.

Sander will eine „integrierte Stadtentwicklung“ und hat das Pilotgebiet in Quartiere unterteilt, in denen durch unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen auch variierende Handlungsstrategien anzuwenden wären. Logisch: Im Viertel mit 50er-Jahre-Schlichtbauten gibt es andere Notwendigkeiten als im Neubaugebiet. Nur ein Beispiel: Im Konzept ist vorgesehen, den Horbach wieder ganz an die Oberfläche zu holen und ihn in einer neuen Frischluftschneise von Ost nach West zur Ruhr zu führen.

Am 3. November hat die Stadt 20 Minuten Zeit, um der Jury noch mal ihr Konzept zu präsentieren. Dann stellt die Jury 30 Minuten lang Fragen. Einen Tag später fällt die Entscheidung. Mülheim gibt sich gut aufgestellt. Halt wie die Nationalmannschaft vor einem großen Turnier.