Mehr als 200 Wohnungen stapeln sich im SWB-Hochhaus am Hans-Böckler-Platz bis hinauf in den 20. Stock. Carsten Ott und Christian Werth haben begonnen, die Menschen, die hier leben, daheim zu fotografieren.
Dabei kommen die beiden nicht als Fremde ins Haus, sondern klopfen bei den Nachbarn an, denn als Teilnehmer von „2-3 Straßen” wohnen sie selber am Hans-Böckler-Platz. Christian Werth (42) siedelte aus dem sauerländischen Hemer um und ließ auch seinen „Bürojob” zurück. Carsten Ott (39) konnte seine Medienagentur nach Mülheim verpflanzen, da er mit Kunden ohnehin vorwiegend über elektronische Kanäle kommuniziert.
Wenngleich keiner der beiden ein Profi an der Kamera ist, nahmen sie sich ein fotografisches Projekt vor. Sie wollen die Hausbewohner stets in derselben Perspektive ablichten und allen Bildern denselben Aufbau verleihen: so, dass man die Fensterfront, vielfach hoch über der Stadt gelegen, zur Linken sieht.
Die bislang vorliegenden Fotos zeigen sehr unterschiedliche Menschen in ebenso unterschiedlich gestalteten Lebensräumen (wenn man das Wohnzimmer so nennen will): wuchtige Schrankwand oder modern-minimalistischer Style, eine trägt ihren Wellensittisch, eine andere steht rauchend in der Balkontür, der dritte hat seinen Rollator neben dem Tisch geparkt, ein Mann aus dem Ghana posiert in Landestracht.
Auch von Christian Werth gibt es bereits ein Bild, da ruht der lange Mann im Lampenschein auf dem Sofa, die Fenster sind mit Jalousien verhängt. Ein Foto von Carsten Ott wartet dagegen noch auf seine Anfertigung. „Ich hätte nicht gedacht”, sagt er, „dass das Projekt so zeitaufwendig wird.” Man knipst nicht einfach und sagt tschüss, sondern redet eine Menge mit den Leuten. Und aus einem Fototermin werden nicht selten zwei.
Wenn Ott und Werth ihre Serie abgeschlossen haben, die im Idealfall das Innenleben des Wohnklotzes beleuchtet, sollen die Bilder ausgestellt werden. Die Sparkasse Mülheim, in deren Zentrale häufig Kunst zu sehen ist, hat Interesse bekundet. Ob dort eine Präsentation zustande kommt, ist aber noch nicht entschieden, und wenn, findet sie wahrscheinlich nicht mehr in diesem Jahr statt.
Das Fotoprojekt wird bis auf weiteres fortgesetzt. „Jeder, der möchte, kann mitmachen”, betont Ott. Jeder Hochhausbewohner, heißt das. Gerne Familien, denn bisher wirkten meist Solisten mit. „Hier wohnen überwiegend Singles und Paare”, diesen Eindruck hat Christian Werth gewonnen, „Kinder gibt es im Hochhaus nur wenige.” Wenn „2-3 Straßen“ im Dezember ausläuft, wollen beide übrigens vorerst hier wohnen bleiben. „Zumindest den Winter über.“ Und dann? „Mal sehen.“