80 Stunden Arbeit als Nachtportier, 300 Euro dafür am Monatsende in der Hand – Stundenlohn: 3,75 Euro netto. Der Fall von Jürgen Knorra aus Broich wird demnächst das Arbeitsgericht beschäftigen.
Dabei war nicht einmal die sittenwidrige Entlohnung der Grund für Knorra, sich gegen seinen Arbeitgeber zur Wehr zu setzen.
Jürgen Knorra ist Rentner. Der 68-Jährige erzählt, er habe einst gut verdient gehabt als Leiter eines Rechenzentrums. Die Rente also: auskömmlich. Knorra wollte sich aber noch ein paar Euro dazuverdienen. Für sein Hobby, das Reisen. Also nahm er im April 2006 den Job an: Nachtportier auf 400-Euro-Basis. 300 Euro für zehn Nachtschichten im Monat, dazu pauschal abgeführte Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers.
Es ist das Hotel U. an der Aktienstraße. Besitzer ist Hermann Ralf Schmitz, in Mülheim bekannt als Geschäftsführer vom Rennverein und vom Golfclub Raffelberg, jüngst auch an der Dohne aktiv, als Investor des kleinsten Fünf-Sterne-Hotels, das es in Deutschland geben soll.
Hier ein Fünf-Sterne-Hotel, dort ein Stundenlohn von 3,75 Euro – „ich hab’ das wirklich gerne gemacht“, sagt Knorra nur. Der Minijob im Team mit zwei Kollegen habe Spaß gemacht, der wenige Lohn habe ihn da nie gestört.
Dass er mit seinem Arbeitgeber nun doch über Kreuz ist, hat seinen Ursprung in einem Urlaubsantrag, den Knorra Ende August stellte. Zuvor habe er nie Urlaub genommen, habe dann von seinem Anspruch erfahren. Ab dem 6. September wollte der 68-Jährige 14 Tage verreisen. Widerspruch gab’s nicht. Noch im Urlaub in Kärnten, erhielt er jedoch eine E-Mail von der Hotel-Rezeption: „Wir haben dich heute Nachmittag nicht erreichen können . . . Wir wollten dich nur darüber informieren, dass wir einen vierten Nachtdienst eingestellt haben, da wir deine Schichten auf 1x im Monat reduzieren sollen.“
Von zehn Schichten auf eine – Knorra wertete dies als Retourkutsche seines Arbeitgebers auf einen wohl doch unerwünschten Urlaubsantrag – und wandte sich nun an die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie machte in seinem Namen den Anspruch auf 80 Stunden Arbeit geltend und forderte für die vorangegangenen drei Monate eine Nachzahlung gemäß dem tariflichen Mindestlohn für Betriebe der Hotel- und Gaststättenbranche, die nicht im Dehoga-Verband organisiert sind. Es gilt laut NGG ein Mindestlohn von 8,83 Euro.
Wiederum sieben Tage später fischte Knorra, ebenso seine Kollegen, ein Kündigungsschreiben aus dem Briefkasten. Man werde die Hotelrezeption nachts schließen, hieß es zur Begründung. Nach Prüfung seines Falles durch die DGB-Rechtsschutzabteilung wird Knorra nun vor dem Arbeitsgericht klagen – „wegen der Ungerechtigkeit, die ich plötzlich gespürt habe“. Es wird um Kündigungsschutz gehen. Und um Lohn. Auch den vom September habe er nicht erhalten, so Knorra.
„Ich weiß, was kommt“, sagt Unternehmer Ralf Hermann Schmitz auf WAZ-Nachfrage. „Ich werde verurteilt werden und ihm eine Abfindung zahlen müssen, aber ich sage: Sein Verhalten hat den anderen Leuten den Arbeitsplatz gekostet. Er nimmt den anderen Leuten die Chance, ein paar Euro zu verdienen, die sie wahrscheinlich brauchen.“
Schmitz sagte, er habe gar nicht anders können, als nach der Einschaltung der Gewerkschaft allen zu kündigen. Ein Zusatzservice mit Nachtportiers sei für seinen Hotelbetrieb wirtschaftlich nicht möglich, wenn er den Mindestlohn zahle. Im Übrigen müsse der, der im Hotel U. nachts an der Rezeption sitze, doch „gar nichts tun“ . . . Knorra widerspricht. Er sei als Nachtportier „Mädchen für alles“ gewesen, habe morgens gar Lunchpakete zusammengestellt und das Frühstücksbüfett aufgetischt. Schmitz entgegnet: „Vielleicht ist er jemandem mal, und ich sage mal, zur Hand gegangen . . .“
Zum Vorwurf, Knorra als Retourkutsche für dessen Urlaubsantrag neun von zehn Diensten gestrichen zu haben, sagt Schmitz, dies nur deshalb gemacht zu haben, weil er sich den von Knorra über die Gewerkschaft verlangten Mindestlohn nicht habe leisten können.
Nur: Zu dem Zeitpunkt, als Knorras Schichten zusammengestrichen worden sind, hatte er noch gar keinen Mindestlohn beansprucht. Sondern nur den ihm zustehenden Urlaub.