Die Bürgerinitiative „Frische Luft für Mülheim“ hat im Kampf gegen den Bebauungsplan Tilsiter Straße/Oppspring den Petitionsausschuss des EU-Parlamentes eingeschaltet.
Der wird nun prüfen, ob existierende europäische Richtlinien gegen eine Wohnbebauung auf dem Ackerland in Holthausen sprechen.
Wie Initiativen-Sprecherin Britta Stalleicken erst jetzt bekannt gab, ist die Petition bereits im Frühjahr auf den Weg gebracht worden. Der Widerstand von Anwohnern, aber auch zahlreichen weiteren Mülheimern gegen die Bebauung der Freifläche zieht sich über Jahre hin. Geregt hatte er sich, weil die Stadt ursprünglich die komplette Ackerfläche zwischen Tilsiter Straße und Oppspring für Bebauung freigeben wollte. Hiervon hat die Stadt zwar längst Abstand genommen, doch weiter beklagt die Initiative insbesondere zweierlei: Erstens beeinträchtige das Bauvorhaben die für das Stadtklima wichtige Kaltluftzufuhr, zweitens sei das Ackerland in höchster, schützenswerter Güteklasse eingestuft.
3400 Unterschriften gegen den Plan, der nun „nur“ noch eine Randbebauung der Tilsiter Straße vorsieht, hat die Initiative gesammelt. Da sich „trotz sachlicher Argumente auf kommunaler Ebene nichts bewegt“, so Britta Stalleicken, strebe man nun eine Klärung wesentlicher Fragen durch das EU-Parlament an. Im Clinch mit der Stadt liegt die Initiative insbesondere wegen zweier Gutachten zum Klimaaspekt. Verkürzt gesagt kommt eines (von 2003) zum Urteil, dass eine Bebauung wegen einer negativen Wirkung auf das Stadtklima nicht zu empfehlen ist, ein anderes (von 2008) sagt genau das Gegenteil. Planungsamt und Initiative streiten mit verschiedenen Argumenten darüber, welches nun Aussagekraft besitzt.
Die Petition an das EU-Parlament, ein 30-seitiges Papier, spannt einen großen Bogen, fragt auch nach der Vereinbarkeit einer Bebauung im Gebiet der Kaltluftentstehung mit dem Ziel, die Schadstoffbelastung in der Luft mit Feinstäuben, Stickoxiden und Schwefeldioxid deutlich zu reduzieren. Der Petitionsausschuss hat bereits die EU-Kommission zur Klärung von Sachverhalten eingeschaltet.
Das Planungsamt demonstriert Gelassenheit. Dadurch, dass nur mehr eine Baureihe an der Tilsiter Straße vorgesehen sei, nehme das Stadtklima keinen Schaden. Das Gebiet, in dem die Kaltluftzufuhr für die Stadt entstehe, sei deutlich größer als das Plangebiet, so Amtsleiter Martin Harter. Sein Amt habe bereits im April Stellung genommen zur Petition. Dabei habe man auch klar gemacht, in welch frühem Planungsstadium man sich befinde. Noch steht die zweite Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung aus. Laut Harter wartet die Stadt weiter auf ein Bodengutachten, vermutlich werden die Pläne deshalb erst zu Jahresbeginn 2011 offengelegt. Dann könnten, auf detailreicherer Basis, wiederum Einwände formuliert werden.
Für die Initiative ist die EU fast der letzte Strohhalm, auch wenn sie Kontakt zum NRW-Umweltminister sucht. In der Lokalpolitik jedenfalls glaubt Britta Stalleicken fernab von MBI, Grünen und Linken kaum Unterstützung zu erfahren. Man habe mit den anderen Fraktionen gesprochen, leider sei das Echo am Ende kurzsilbig gewesen: „Okay, aber trotzdem . . .“ Enttäuscht ist Stalleicken von den Diskussionen im Planungsausschuss. Dass dort ein Lokalpolitiker die Debatte gar mit den Worten „Sie wollen nur das Rapsfeld länger angucken“ abzuwürgen gesucht habe, zeige nur, „dass es auf der Sachebene hier in der Stadt nicht mehr funktioniert“.
Zweifelsohne genieße sie den Blick aufs freie Feld. Doch sei dies nur der Anlass gewesen, die Pläne zu hinterfragen. Jetzt habe man Sachargumente. Die dürfe eine Stadt nicht ignorieren, reklamiere sie für sich, Klimastadt zu sein.