So schnell kann’s gehen in der Schulpolitik 2010: Gestern noch Zukunftsmodell, heute bereits Auslaufmodell.
Unverantwortlich, töricht, unüberlegt, entwürdigend – es hagelt Kritik quer durch die Stadt. Das Vorhaben von CDU, FDP, MBI und Grünen, das Projekt „Zukunftsschule in Eppinghofen“ nach fünfjähriger Vorbereitungszeit aufzugeben, stößt auf massive Ablehnung. Am Donnerstag will eine Ratsmehrheit das Projekt beerdigen, es sei angesichts der Haushaltslage nicht mehr vermittelbar, heißt es. Dabei spart die Stadt mit dem Aus keinen Cent.
Am deutlichsten in seiner Empörung wird Manfred Bahr, Leiter der Grundschule im Dichterviertel, die Bestandteil der Zukunftsschule werden sollte wie auch die Kindertagesstätte, wie auch der soziale Dienst, wie die Berufsförderung, wie das Stadtteilbüro. „Der Antrag richtet sich deutlich gegen Familien und Kinder in Eppinghofen. Familien und Kinder, die ohnehin häufig stark benachteiligt sind.“ Erneut mache sich Mülheim zur Lachnummer, „weil ein bundesweit beachtetes und anerkanntes Projekt wegen kleinlicher kommunalpolitischer Querelen aufgegeben wird“, so Bahr, der kurz vor den Anmeldungen für seine Schule trotz aller Erfolge nun herbe Nachteile befürchtet. Der Schulleiter kündigt an: Das werde man sich im Interesse der Menschen in Eppinghofen nicht gefallen lassen. Das „unsagbare Verhalten“ der Fraktionen will er öffentlich an den Pranger stellen.
In der Hauptschule Eppinghofen ist die Betroffenheit nicht minder groß: Schon am frühen Morgen erreichen zahlreiche Anrufe, Faxe und Mails die Schule. Der Tenor ist einheitlich: Wie kann man nur! Die Caritas meldet sich, die Awo, die Theaterpädagogen rufen an, das benachbarte Wohnstift mischt sich ein, die Stadtteil-Konferenz wie die IG Metall schalten sich ein. Plötzlich haben Eppinghofen und die Hauptschule, die sich mühsam, aber mit Erfolg aus dem Tief hochgearbeitet hat, viele Freunde. „Mit der Zukunftsschule waren viele Hoffnungen verbunden, jungen Menschen eine bessere Chance und Perspektiven auch für die Berufs- und Arbeitswelt zu geben“, sagt Ulrich Dörr, Chef der IG Metall Mülheim.
Die breite Zustimmung mache Hoffnung, sagt Schulleiterin Gabriele Klar, die es als „niederschmetternd empfindet, wie die jahrelangen Bemühungen der Schule mit einem Federstrich beiseite geschoben werden. Seit Jahren verharren Lehrer und Schüler an der Bruchstraße in einem Gebäude, das wahrlich Bruch ist. Immer wieder sei ihnen versprochen worden: Haltet aus, bald bekommt Ihr eine schöne Schule! Mit Architekturmodellen wurden sie zum Durchhalten bewegt, und jetzt: Wird nichts! Mancher ist sicher: Mit einem Gymnasium würde die Politik so nicht umspringen, da hätte man vor der Elternschaft mehr Respekt – oder auch Angst.
Doch da liegt man falsch: Die Eltern der Hauptschule melden sich spontan, fragen: Was können wir tun? Sie fürchten, dass mit dem Aus für die Zukunftsschule der Standort am Ende ist. Dabei hatte man sich gerade beim Land auch als Gemeinschaftsschule beworben.
Rund 8,5 Mio € wollte die Stadt investieren in neue Bauten, mit Millionen wollte eine Stiftung einspringen, auch das Land sagte Unterstützung zu, 20 Millionen sollten aus EU-Mitteln kommen, um dieses bildungs-, sozial, und städtebaupolitische Vorhaben zu realisieren und damit einen schwächelnden Stadtteil zu stärken. Die SPD ist die einzige Fraktion, die noch hinter der Zukunftsschule steht, sie will heute zum Gegenschlag ausholen, spricht aber bereits aus, was sie vermutet: ein „durchsichtiges Machtspiel mit dem Ziel, der Oberbürgermeisterin eins auszuwischen.“ Die Zukunftsschule ist zu einem großen Teil „ihr Kind“, mit dem sie auch den Wahlkampf bestritt.
Intrigantenstadl in Mülheim?