Zum traditionellen Herbstgespräch am Tag der Deutschen Einheit hatte die CDU diesmal den Schriftsteller Lutz Rathenow eingeladen.
Da gibt es diese Kindergeschichte um zwei Stinktiere, die sich darum streiten, wer wohl penetranter in die Nase steigt: „Du stehst doch bald im Wohnzimmer – anstelle von Blumen“, feixt der eine, der andere zieht nach. Eine absurde Neckerei voller großspuriger Übertreibungen entspinnt und hätte sie der Schriftsteller Lutz Rathenow nicht damals in der DDR geschrieben, sie wäre veröffentlicht worden.
So aber haben die versammelten Mitglieder der CDU Mülheim zum alljährlichen Herbstgespräch im Museum Alte Post „die Gelegenheit, einmal DDR-Funktionär zu spielen“, wie Rathenow mit feinem Lächeln anmerkt, „warum wurde sie nicht gedruckt?“ Der Autor löst es selbst auf: Mit den Stinktieren seien offenkundig die Staaten DDR und BRD gemeint, glaubten die Funktionäre. Damit würde man den „Sieg des Sozialismus“ auf die gleiche Stufe mit dem „niedergehenden realen Kapitalismus“ stellen. Das aber gefährde den Frieden in der DDR.
Aus der Anekdote um zwei müffelnde Mephitidae wird eine Posse über die politische Paranoia, welche den Kader der Republik ganz vereinnahmte. „Die Geschichte wurde nicht gedruckt, es gab auch keinen Krieg“, merkt Rathenow lakonisch an. Dabei sei es den Literaten – vor allem jenen mit Westanbindung – im „Schriftsteller-Staat DDR“ lange Zeit ganz gut gegangen, sie seien verlegt und als intellektuelle Elite betrachtet worden. Das sagt einer, der 1975 dort verboten und 1976 sowie 1980 inhaftiert wurde. „Knüppelhart, aber für mich noch auf einer Luxusebene“, differenziert Rathenow selbstkritisch zwischen sich und den über 250 000 politischen Gefangenen der DDR. Als „Dissident“, wie ihn der Mülheimer CDU-Vorsitzende Andreas Schmidt eingangs begrüßt, will er sich an diesem Sonntagmorgen partout nicht feiern lassen.
Ebenso wenig lässt sich Rathenow einfache Bekenntnisse auf die Frage nach Unrechtsstaat und Diktatur abverlangen. „Die DDR war ein diktatorisches System“, sagt er deutlich, und dann folgen manche „aber“. Das verunsichert den manchmal auch selbstgerechten Wessi-Blick auf erfrischende Art.
Die „Wessis“ und die „Ossis“ – wie steht es um dieses Paar, so kurz vor der silbernen Hochzeit? „Wir sind in der Situation, dass für uns vieles selbstverständlich ist“, kritisiert der „Ossi“ die Anspruchshaltung seiner Landsleute und die verklärte Ostalgie-Vermarktung, welche Super Illu und MDR betrieben. Mit der Vereinigung sei dem Osten aber auch das Gegenüber als Utopie verloren gegangen, „durch die profane Realität, nun Teil des Westens zu sein.“