Wird Mülheim Innovation City, die deutsche Stadt mit dem Vorzeigeviertel für Klimaschutz und Energieeffizienz, in das in den nächsten zehn Jahren geschätzte zwei Mrd. € investiert werden sollen? Die Bewerbung ist fertig.

Sie wird am Montag in Essen bei der Innovation-City-Gesellschaft pünktlich vor zwölf Uhr abgeliefert und auf der Expo Real in München noch einmal werbewirksam überreicht.

60 Seiten sind es. Ein Paket voller Daten, Zahlen, Zielen, ein Paket für eine bessere Welt in Broich, Winkhausen, Speldorf, Stadtmitte, Eppinghofen, Dümpten, Styrum. Ein Paket mit der Botschaft: Wir können vor Ort eine kleine klimaschonende Welt schaffen.

In der 20. Etage des Technischen Rathauses lag die Bewerbungszentrale. Dort hängen noch wenige Stunden vor der Abgabe die vielen Pläne, Zeichnungen und Auswertungen jenes Gebietes mit 57 000 Einwohnern, das Zukunftsviertel werden soll. Zwölf Wochen lang hat ein Team um Klaus Beisiegel vom Umweltdezernat und Ulrike Marx zunächst nichts anderes getan, als Daten gesammelt – Menschen und Unternehmen davon überzeugt: Macht mit! Und viele haben mitgemacht, sich bereit erklärt, die Klimaziele zu unterstützen: von der Tengelmann-Familie Haub bis hin zu vielen kleinen Handwerksunternehmen.

Was weiß man über das Viertel, das zu einer Art „Blaupause“ für Deutschland werden soll? 1305 Hektar ist es groß, ein typisches Stück Ruhrgebiet mit einer Altstadt, mit Bauten aus den 60er und 70er Jahren, mit reichlich Industrie. Es ist ein Gebiet, in dem im Jahr 430 000 Tonnen CO2 produziert werden, wovon ein Drittel auf den Verkehr entfällt. Es ist ein Gebiet, in dem 28 512 Autos angemeldet sind, in dem 512 Millionen Personen-Kilometer im Jahr zurückgelegt werden. „Wir haben noch nie Stadtteile derart untersucht“, sagt Beisiegel.

Was soll nun dort geschehen in den nächsten zehn Jahren – falls Mülheim sich gegen die vier Konkurrenten durchsetzt und die „Klima-Stadt der Zukunft“ wird? „Ein realistisches Ziel wäre es, in zehn Jahren den CO2-Ausstoß um 175 000 Tonnen im Jahr zu reduzieren, das wäre um 41 %.“ Man will mit der Medl die Kraft-Wärme-Kopplung stark ausbauen, kleine Kraftwerke um die Ecke errichten. Der Ausbau der Solartechnik soll vorangetrieben werden. Der Vorteil: Mülheim besitzt ein flächendeckendes Solarkataster, das Auskunft gibt, auf welchen Dächern Sonnenenergie Sinn macht. Große Mengen der Industrie-Abwärme sollen und können als Netzwärme nutzbar gemacht werden. Eher gering, so Ulrike Marx, dürften die Veränderungen im Pkw-Bestand ausfallen: 1000 Elektrofahrzeuge in zehn Jahren, größer sind die Erwartungen zunächst nicht. Da sollen ein besseres ÖPNV- und Radwege-Angebot mehr bewirken.

Fünf Innovation-City-Center will die Stadt aufbauen, Orte, an denen Bürger sich beraten lassen können: Wie kann ich in meinem Haus Energie sparen, gewinnen, wo und welche Fördergelder bekomme ich? Für Beisiegel sind die Center entscheidende Bausteine in dem Konzept.

Die Chancen? „Wir legen der Jury eine sehr gute Datenlage vor. Wir haben plausible und realistische Ziele gesteckt, und wir haben eine breite Unterstützung in der Bevölkerung gefunden“, führt Beisiegel an. Und wenn es Mülheim nicht wird? „Die Arbeit war keineswegs umsonst“, betonen die Macher im Umwelt- und Planungsdezernat. „Dann versuchen wir das Konzept Schritt für Schritt unter der Stadt-Marke „Klimazone Mülheim“ umzusetzen“.