Unmut ist zu spüren, wenn die Leiter der Mülheimer Gymnasien erzählen, was die Schulzeitverkürzung G8 sie bereits gekostet hat. Zeit und Nerven vor allem.
Die Lehrpläne haben sie umgestellt, Bücher ausgetauscht und den Schulalltag umgekrempelt. Alles für das „Turbo-Abi“ der schwarz-gelben Landesregierung. Jetzt ist Rot-Grün an der Macht, und die Koalition ermöglicht das Zurück zum Abi nach 13 Schuljahren. In Mülheim ist man davon wenig begeistert.
Werner Andorfer, Leiter der Karl-Ziegler-Schule, fasst es sprichwörtlich zusammen: „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“, so gehe es bei der Schul- und Bildungspolitik zu. Seine Schule ist das erste Gymnasium der Stadt, das den Ganztag eingeführt hat. Ein Grund dafür war laut Andorfer G8. Auch in Broich sorgte die Schulzeitverkürzung für grundlegenden Wandel. „Wir haben das Doppelstundenmodell eingeführt“, berichtet Ralf Metzing, Schulleiter des Broicher Gymnasiums. Fünf-Minuten-Pausen fallen dort seitdem weg.
Kritisch sehen die Schulleitungen zudem die Tatsache, dass erste Ergebnisse von G8 noch ausstehen. Denn das erste Abitur nach zwölf Schuljahren wird erst im kommenden Frühjahr geschrieben. „Es ist verfrüht, sich zu entscheiden“, findet auch Ursula Welker, stellvertretende Leiterin der Otto-Pankok-Schule. „Wir müssen den ersten Durchlauf abwarten, um wirklich evaluieren zu können.“
Sie alle können sich daher nicht vorstellen, wieder die Zeit zurückzudrehen. Zumal, das betonen alle gleichermaßen, Mülheims Schullandschaft gut aufgestellt sei. Die Gymnasien böten das Abitur nach acht, die Gesamtschulen nach neun Jahren an; damit sei eine Wahlmöglichkeit gegeben. Würde ein Gymnasium zu G9 zurückgehen, fürchtet Ralf Metzing, bedeute dies Nachteile im Konkurrenzkampf. Ganz zu schweigen von der Alternative, beides zugleich anzubieten. „Völlige Konfusion“ wäre da die Folge.
Freilich ist nichts entschieden. Die Schulleitungen haben sich positioniert, sehen die Kollegien hinter sich. Es fehlt noch die Elternstimme. „Wenn wir auf der Schulkonferenz in der nächsten Woche nicht überstimmt werden, bleiben wir bei G8“, sagt Andorfer. Sein Kollege Ralf Metzing aber hat mit diesem Entscheidungsgremium große Probleme – und zwar rein rechtlich. „Laut Schulgesetz hat die Schulkonferenz gar nicht die Befugnis, solche Entscheidungen zu treffen. Die Landesregierung müsste dazu erst geltendes Recht ändern.“
Auch Lutz Braukmann, Vorsitzender der Karl-Ziegler-Schulpflegschaft, findet: „Eine Entscheidung von so ungeheurer Tragweite einer Schulkonferenz zu überlassen, ist ein Witz.“ Die Landesregierung stehle sich aus der Verantwortung. Zumal: „Offiziell ist bei uns noch nichts angekommen. Kein Schreiben, nichts.“ Persönlich stimmt Braukmann den Schulleitern zu, formuliert es nur deutlicher: „Ein Zurück wäre ausgemachter Quatsch“.
Das Hin und Her, es ermüdet sie. Ursula Welker spricht da wohl für alle, wenn sie sich wieder ein wenig Kontinuität wünscht: „Wir wollen jetzt in Ruhe unsere Arbeit tun.“