Dass die Beschäftigten der Stahlbranche in großem Maße gewerkschaftlich organisiert sind, zeigte sich bei den von der IG Metall (IGM) ausgerufenen Warnstreiks in den großen Mülheimer Werken.
Laut Gewerkschaft legten 1200 bis 1400 Arbeitnehmer zeitweilig ihre Arbeit nieder.
Nach der Krise ist Kampfzeit. Beschäftigungssicherung war gestern, heute ist Teilhabe am Aufschwung gefordert. IGM-Bevollmächtigter Ulrich Dörr machte gestern unmissverständlich klar, dass die Arbeitnehmer der Eisen- und Stahlbranche nun, da sich die Auftragsbücher wöchentlich füllten und die Auslastung ebenso steige, Anspruch hätten auf ein „faires Tarifergebnis“. 6 % mehr Lohn sind gefordert, monatlich 60 Euro mehr für Azubis. Darüber hinaus will die Gewerkschaft Arbeitserleichterungen für ältere Arbeitnehmer. Nicht zuletzt steht Leiharbeit auf der Agenda. Die Forderung: gleiches Geld für gleiche Arbeit.
Das Thema Leiharbeit ist gerade auch bei Vallourec & Mannesmann Tubes aktuell, wo schon die Nachtschicht zum Freitag, gestern Mittag auch Früh- und Mittagsschicht zum Warnstreik aufgerufen waren. Hatte sich V&M in der Krise von rund 200 Leiharbeitern getrennt, sind dort jüngst wieder 60 eingestellt worden – trotz gleichzeitiger Ankündigung, bis zum Jahr 2013 300 Stellen der Stammbelegschaft streichen zu wollen. Betriebsratsvorsitzender Gerhard Oelschlegel sieht Verdrängungsgefahr. Leiharbeit mit all ihren Unsicherheiten für Arbeitnehmer sei auf dem Vormarsch.
„Wir gehen jetzt in die Zuspitzung der Tarifbewegung, wir brauchen das Signal für ein kräftiges Einkommensplus“, so IGM-Chef Dörr. „Kein Mensch soll uns vorrechnen, dass das zu teuer ist. Die Eisen- und Stahlwerke verdienen sich wieder dumm und dämlich.“ 6 % seien gerechtfertigt, in der Krisenzeit hätten die Beschäftigten „erhebliche Verluste durch Kurzarbeit“ hingenommen.
Das konnten Mitarbeiter aus dem Walzwerk nur unterstreichen. Einer beklagte, im vergangenen Jahr brutto fast 10 000 Euro weniger als noch 2008 verdient zu haben. Bei 300 Euro Unterhalt und 200 Euro Kredittilgung sei das „alles ein bisschen eng gewesen“. Manchen Monat habe er nur 400 Euro zum Leben gehabt. Der geplante Nordsee-Urlaub – gestrichen. „Eigentlich saß gar nichts mehr drin“, pflichtete ihm ein Kollege bei. Und für Oktober seien schon wieder drei Kurzarbeitstage angekündigt . . .
„Die Kollegen haben großen Nachholbedarf, sie haben riesen Verluste gemacht“, so Betriebsrat Oelschlegel. Jetzt, in Zeiten des Aufschwungs, sei die Zeit dafür gekommen. „Die Tarifvertragsparteien stehen vor äußerst schwierigen Verhandlungen“, erklärte Helmut F. Koch, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Stahl, nach der ergebnislosen zweiten Verhandlungsrunde der Tarifparteien in der Vorwoche.