Halbe Sachen kommen für die Vier nicht in Frage. „Wir wussten immer schon, dass wir extreme Musik machen wollten“, sagt Morten Gaß.

Dass aus extrem schneller, extrem lauter, inzwischen extrem langsame, extrem leise Musik geworden ist, ist für den Gitarristen nur ein Detail. Musikalisch gehen „Bohren und der Club of Gore“ auf jeden Fall immer in die Vollen.

Es fing an, wie es eigentlich bei den meisten Bands anfängt. Zwei Freunde entschließen sich, eine Band zu gründen. Der eine kennt noch einen, der auch ein Instrument spielt und wohl auch mitmachen würde und der kennt noch einen, der einen kennt. Thorsten Benning, Morten Gaß, Robin Rodenberg und Reiner Henseleit taten sich so 1987 zusammen und fingen an, „Krach zu machen“. Auf die rudimentären Kenntnisse im Umgang mit Instrumenten spielt Morten Gaß mit dieser Formulierung an. Dennoch waren die Anfänge der Band durchaus laut und heftig: Heavy Metal spielten Jungs damals und Hardcorepunk – letzteres bevorzugt, „weil das noch leichter war. Da kann man auf die Gitarrensoli verzichten.“

Ihren Vorbildern eiferten die vier Mülheimer nach, wollten klingen wie Black Sabbath und Slayer. Doch mit der Zeit frustrierte das die Freunde. „Angenervt“ war Morten Gaß davon, „irgendwelchen Idolen hinterherzuhecheln“. Warum, überlegte er, sollte er Musik machen, die klingt wie die Musik einer anderen Band – nur schlechter. „Entweder man spielt wie 5000 andere in Deutschland oder man macht was Eigenes.“

Seit 1992 haben die Musiker etwas Eigenes. Eine Platte, die so klingt, wie keine andere Platte, wollten sie machen und kreierten dabei Musik, die in keine Schublade passt. „Schleicher“ nennt Morten Gaß seine Lieder im Gespräch, spricht von Jazz, der kein Jazz ist, und von einem Repertoire, das ausschließlich langsame Lieder umfasst – und das ausschließlich instrumental ist. Eine Tatsache, die allerdings doch aus dem Blick zu den Vorbildern begründet ist, zur niederländischen Hardcore-Band „Gore“ nämlich. Auch die machte nur Instrumentalmusik und begeisterte die Mülheimer: „Da haben wir gesagt: ,Wir machen Musik wie Gore, ohne Gesang.’“ Die Hommage an die Vorbilder sieht man noch im Bandnamen.

Mit ihrem Mix aus Ambient, Jazz und Doom sind sie nun wirklich wieder so weit ab von der Norm, so weit im Extremen, dass es auf eine Art tatsächlich zu den Hardcore-Wurzeln passt. Und sie haben sich eine Nische geschaffen, in der sie offene Türen fanden: Eine Plattenfirma wurde auf „Bohren und der Club of Gore“ aufmerksam. Zwar ist Musikmachen für die heutigen Bandmitglieder Thorsten Benning, Morten Gaß, Robin Rodenberg und Christoph Clöser, der seit 1997 für Klavier und Saxophon zuständig ist, immer noch ein Hobby, dennoch haben sie sich eine feste Fangemeinde erspielt. Die wohnt überwiegend außerhalb Mülheims und auch außerhalb Deutschlands. Die letzten Konzerte gab die Band in Finnland; in diesem Jahr geht es noch nach Schweden, Norwegen und in den Ringlokschuppen . . .

Etwa 15 Konzerte geben die Musiker pro Jahr, mehr sollen es nicht werden. „Für uns müssen Konzerte immer noch was von Klassenfahrt haben“, sagt Gaß. Mehr Konzerte sind zeitlich nicht machbar, alle vier Bandmitglieder arbeiten in Wechselschicht. „Nervig“ wären mehr Auftritte vor allem, findet Gaß. Wer einmal selbst Schlagzeug und Keyboard durch den Zoll am Flughafen geschleust hat, wird es nachvollziehen können. Aber für die Bohren-Mitglieder ist Musik nach mehr als 20 Jahren immer noch ein begeisterndes Hobby – und mehr nicht. „Ich könnte mich auch mit meiner Eisenbahn in den Keller setzen“, sagt Morten Gaß. Doch er geht lieber mit seinem Aufnahmegerät in den Keller. Die Akustik dort ist bereits auf drei Platten verewigt.