Kuusankoski in Finnland heißt jetzt Kouvola und beschert Mülheim zwei „Cuisinenstädte”
„Städtepartnerschaften”, sagt OB Dagmar Mühlenfeld, „sind nur sinnvoll, wenn man sie mit Leben erfüllen kann.” Und, muss man hinzufügen, wenn diese Belebung allen Partnern Vorteile bringt. Im Süden Finnlands hat man eine Nutzen-Rechnung aufgemacht und ist zu einem Ergebnis gekommen, das für Mülheim positiver nicht sein könnte.
Seit dem 1. Januar 2009 bilden die 20 000-Einwohner-Stadt Kuusankoski, die seit 1972 eine Partnerschaft mit der Ruhrstadt pflegte, der Nachbarort Kouvola und vier kleineren Gemeinden eine neue Gemeinde mit dem Namen Kouvola. Mit der Gemeindereform endeten zum 31.12.2008 die Verträge zwischen den „Twin Cities” aus formalen Gründen. Für Kouvola & Co hieß das: Die sechs Gemeinden brachten insgesamt 21 Städtepartnerschaften ein, von denen nur noch drei auf die neue „Großstadt” übertragen werden sollten. „Dass die Wahl auf Mülheim fiel, sagt viel aus”, meint die OB. „Die Finnen waren angetan von unserer konsequenten Projekt-ausrichtung. Die Qualiltät der bisherigen Partnerschaft war ein entscheidendes Kriterium.” Koulola entschied sich zudem für Balatonfüred in Ungarn und das russische Wologda. Für Mülheim bedeutet das, nach einer entsprechenden Einwilligungserklärung, einen europäischen Familienzuwachs: Kouvolas Twin Cities Balatonfüred und Wologda sind jetzt „Cousinenstädte.”
Alles, nur kein „Reisebüro”
Bei der Wahl der drei Partnerstädte, sagt Wolfgang Sauerland, der Leiter des Amtes Rat der Stadt, hat sich die neue 90 000-Seele-Großgemeinde Kouvola zwar auch von Sympathien, aber vor allem von nüchternen Überlegungen leiten lassen. Auf keinen Fall – und das deckt sich völlig mit dem Mülheimer Ansatz – sollte die Partnerschaft ein besseres „Reisebüro” für Honoratioren sein. Die Finnen, die ihrerseits ihre traditionell guten Beziehungen zu Russland und den ehemaligen GUS-Staaten einbringen, erwarten abseits der normalen bürgerschaftlichen Begegnungen handfeste Vorteile, die nicht nur wirtschaftlicher Art sein müssen.
Seit die von Pastor Ewald Muhr geschaffenen Kontakte zwischen der ev. Kirchengemeinde Saarn und der ev. Gemeinde Kuusankoski 1972 zur offiziellen Städtepartnerschaft führten, gibt es intensiven Austausch in den Bereichen Sport, Musik (Chormusik), Schule. Schüler der Luisenschule etwa haben bereits zweimal an finnischen Theatertagen teilgenommen; an dem Projekt des Ringlokschuppens zu Brechts „Fatzer”-Fragment, das Bestandteil des Mülheimer Kulturhauptstadt-Beitrags sein wird, sind auch Jugendliche aus Kouvola beteiligt.
Diese Bereiche sollen noch intensiviert werden; Möglichkeien der Wirtschaftsförderung werden sondiert. Doch im Vordergrund, das steht für OB Mühlenfeld fest, steht eine Verwaltungspartnerschaft.
Mülheim hat Erfahrungen mit der Gebietsreform der 70er Jahre gemacht und später mit dem Strukturwandel im Revier. Aus solchen Erfahrungen wollen die Finnen praktischen Nutzen ziehen. Denn ihnen steht ein radikaler Umbruch erst noch ins Haus: Die Verwaltung des Staates soll auf ein Sechstel (!) reduziert werden. Hilfreich sind auch die Erfahrungen mit Migration und Integration – Themen, die auch in Südfinnland immer wichtiger werden. Gerade diese Kompetenz in der Sozialpolitik ist es, aus der auch andere Partnerstädte Mülheims Gewinn zu ziehen versuchen. Darlington (England) zum Beispiel, Opole (Polen) oder Beykoz (Türkei).
Weil der Partnerschaftvertrag mit Kuusankoski formal erloschen ist, muss formal ein neuer mit Kouvola her. Das soll, nach der Empfehlung des Ältestenrates, in der Ratssitzung am 18. Juni geschehen. Danach können Verwaltung und Wirtschaft ermitteln, was konkret getan werden kann. „Wir kennen”, sagt Dagmar Mühlenfeld, „die Erwartungshaltungen der im neuen Kouvola aufgegangenen Gemeinden noch nicht.” Aber andererseits: Die Finnen sind sich ja längst sicher, dass ihre Erwartungen erfüllt werden.