Mülheim. .

Zehn Jahre lang hat es keine neue Platte von der Mülheimer Punkband Lokalmatadore gegeben. Jetzt gibt es endlich Nachschub von der Proll-Front. Mit reichlich Bier, ein bisschen Kot und viel Lokalpatriotismus.

Der Schlüssel zum stilvollen Vertrösten ist die vage Zeitangabe. Ein praktisches Beispiel: „Wann macht ihr denn die nächste Platte?“, fragten die Fans. Und die Lokalmatadore antworteten: „Bald.“ Die Taktik hat funktioniert. Zehn Jahre lang. Nun aber gibt’s endlich Nachschub von der Proll-Punk-Front und auch nach einer Dekade ist noch immer alles beim Alten: ein bisschen Kot, reichlich Bier und jede Menge Lokalpatriotismus werden vereint zu 16 Songs und „Söhne Mülheims“.

Wenn die Deadline drückt, „kommt man auch aus den Puschen“ – dachten sich die Lokalmatadore. Sänger Fisch, Gitarrist Bubba, Bassist Rommel und Norbert Blüm am Schlagzeug, buchten Anfang 2009 für Ende 2009 Zeit im Studio, um ihre lang erwartete Platte aufzunehmen. Reichlich Zeit gaben sie sich so, um entspannt Texte zu schreiben und sich vorbereiten zu können, ganz „ohne Druck“. Guter Plan. Aber schlecht umgesetzt. „Am Ende haben wir dann doch wieder erst drei Wochen vorher angefangen. Die letzten Lieder haben wir noch im Studio fertiggeschrieben“, erzählt Fisch. Torschlusspanik ist eben der beste Motivator.

Punk-Perlen voller Paarreim-Poesie

Entstanden sind dabei musikalische Punk-Perlen voller Paarreim-Poesie in bester Lokalmatadoren-Manier. „Warum bist du nicht bei mir, ich sitz hier mit ‘nem Kasten Bier“, dichten sie in „Ich und meine Kiste“ und fragen „Zwischen Heißen und Kettwig“: „Woran hab’ ich in Ickten wohl gedacht und hab’ dabei die Buxe aufgemacht?“ Bei den Lokalmatadoren klingt das fast wie eine rhetorische Frage.

Apropos rhetorische Frage: (Nicht-Lokal-)Journalisten wollen von den Vieren regelmäßig wissen, was denn so toll ist an Mülheim – immerhin widmen sie regelmäßig Lieder der Stadt und deren Größen, wie beispielsweise Fritten-Fee Erika und Wirt Ulli. „Wir wohnen halt hier, wir kennen nichts anderes“, lautet die Standardantwort.

Aber weg von hier wollen sie auch nicht. Im Gegenteil: Die vier nehmen Mülheim mit, wohin sie auch gehen. Wie etwa ins Düsseldorfer Studio: „Da haben wir Mölmsch eingeführt.“ Mutig sind die Matadore also auch noch. Die Hymne auf den Gerstensaft made in Mülheim folgt vielleicht auf dem nächsten Album. Auf „Söhne Mülheims“ ist erst einmal der VfB Speldorf dran. „Das Lied würden wir gerne auskoppeln. Es wäre toll, wenn man mit dem Verein was zusammen machen könnte“, sagt Bubba.

„Assis wachsen immer nach“

Live getestet wurden die neuen Lieder auch schon. Im High Voltage an der Duisburger Straße feierten die Lokalmatadore Heimspiel und gaben zwei Konzerte, wobei das erste nur für Mülheimer war. Voll waren beide Abende, denn in 28 Jahren Bandgeschichte sind die alten Fans nicht nur mitgegangen, es sind zudem neue nachgekommen. „Assis wachsen immer nach“, sagt Bubba.

Und nachdem sie die Fans so lange haben warten lassen, legen die Lokalmatadore nun richtig nach. Eine Doppel-DVD etwa ist in Arbeit: Ein komplettes Konzert und „Dokumente von historischem Ausmaß und fragwürdiger Qualität“ umfasst die. Und bald folgt auch schon die nächste Platte. Aber diesmal wirklich BALD! Im Herbst erscheint „Rocket to Borussia“, ein Sammler ihrer Schalke-Lieder. Alle alten Schätzchen sind auf dem Album vereint und drei neue blau-weiße Hits. Und dann steigen sie auch wieder auf die Bühne. Quer durch die Republik und über die Landesgrenzen hinaus geht’s für die Lokalmatadore, für die Musik ein Hobby geblieben ist. Denn auch, wenn sie Mülheim lieben und besingen, Auftrittsmöglichkeiten seien für sie hier rar, finden sie. Stattdessen laufen sie beim größten Punk-Festival Europas auf – und das ist ja auch nicht zu verachten. Bubba: „Jedes Konzert bringt Spaß. Das ist Auftanken für den Alltag. Wenn 8000 Leute vor dir rumhüpfen, das ist ein Gefühl, wie Weihnachten und Schalke wird Meister zusammen.“