Lobende Adjektive fallen Wolfgang Neuhs viele ein: „Motiviert“ nennt der Wachleiter der Deutschen Lebens-Rettungsgesellschaft (DLRG) das Mülheimer Team, „engagiert, ehrlich, verantwortungsvoll“.

Und noch ein Wort benutzt er oft: „Ehrenamtlich.“ Denn das ist die Arbeit der Vereinsmitglieder. Ob sie Schwimmkurse geben oder am Wochenende einen Blick auf die Menschen haben, die sich an der Ruhr tummeln. Wie auch am vergangenen Samstag.

Die Sonne scheint und es ist voll an der Ruhr. Radfahrer, Spaziergänger, Boote, Kajakfahrer sind unterwegs. Man sieht sie an der Einfahrt der DLRG vorbeiziehen. Dort, rund um die Wachstation, ist aber Arbeit angesagt. Andere waschen samstags den Wagen, drei jugendliche Rettungsschwimmer putzen das Hochwasserboot. Die Schiffsgarage wird gefegt und ein Stückchen weiter gebuddelt. Philipp Schreiner, Melchior Urbantat und Christin Balkhausen graben mit Spitzhacke und Schaufel Löcher, erste Arbeitsschritte zum neuen Carport.

Unten am Steg liegt bereits ein Boot im Wasser, einsatzbereit. Wolfgang Neuhs, zweiter Mann für die Öffentlichkeitsarbeit, hat derweil die Ruhr im Blick – und die Mehrfachsteckdose, die dort im Wasser liegt. „Die fischen wir gleich raus“, sagt Neuhs. Immer wieder entsorgen Menschen im Fluss ihren Müll und schaffen so Gefahrenquellen. „Wenn man schwimmt sieht, man das nicht“, weiß Neuhs. Das ist ein Grund, warum das Schwimmen in der Ruhr verboten ist. Die Steine im Uferbereich und die teils unberechenbare Strömung sind andere. Aber: „Die Leute schwimmen trotzdem.“

Im hitzerekordverdächtigen Juli herrschte Hochbetrieb in der Ruhr. Und Melchior Urbantat erinnert sich gut an das Public Viewing am Wasserbahnhof, nach dem die Fans gemeinsam abtauchten. „Bestimmt 100 Leute“, schätzt er, tummelten sich im Wasser: „Aber wir können nichts tun. Nur die Köpfe zählen und hoffen, dass alle oben bleiben.“ Denn weisungsberechtigt sind die DLRG-Mitglieder nicht.

Bei jedem Wetter

Sie dürfen nur retten. Von Mai bis Oktober ist die Wachstation wochenends besetzt – bei jedem Wetter. Von Kettwig-Unterwasser bis Mülheim-Hafen reicht das Mülheimer Revier, doch die Retter schleusen nur selten. Mehrfach täglich sehen sie per Boot nach dem Rechten, sind als Fußstreifen am Leinpfad unterwegs. Und, so Neuhs, sehen dabei Ungeheuerliches: „Es passiert immer öfter, dass Jugendliche von den Brücken springen – direkt ins Fahrwasser der Schiffe.“ Obwohl: „Eigentlich ist es mir fast lieber, dass die dahin springen. Das ist tiefer“, erzählt er und wird plötzlich mitten im Satz von einem Radler unterbrochen. „Da hinten ist ein Kajakfahrer gekentert“, ruft er im Vorbeifahren und Wolfgang Neuhs reagiert sofort: „Philiiiipp!“ Zack, zack, sitzen alle im Boot, abgelegt und los. Sonst gilt Tempo 12 auf der Ruhr. Im Ernstfall darf man schneller fahren. Philipp Schreiner gibt Gas, 20 km/h wirken auf dem Wasser wie Rennfahrerei. Schnell ist eine Gruppe Kajakfahrer zu sehen. Kinder dümpeln in blauen Schwimmwesten auf dem Wasser. Ein Junge hatte sich überschlagen, der begleitende Erwachsene hat bereits geholfen. „Nichts passiert, nur nass“, lautet das Endurteil. Ein Einsatzbericht muss trotzdem geschrieben werden.

„Wir gehen immer vom Schlimmsten aus“, so Wolfgang Neuhs. „Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde.“ Eine „Rettung aus Lebensgefahr“, sagt Melchior Urbantat sei selten. Der letzte Einsatz war „Öl im Wasser“. Aber im Notfall sind sie da.