Erfahrung erleichtert die Entscheidung – diese einfache wie einleuchtende Überlegung steckt hinter dem „Betriebserkundungstag“.

Wenn man weiß, welche Arbeit hinter der Berufsbezeichnung steckt, weiß man, ob man mit ihr sein Geld verdienen will. Dieses Wissen wollen der Unternehmerverband als Organisator und die Agentur für Arbeit als Financier mit dem Programm „Vertiefte Berufsorientierung“ vermitteln. Gestern nahmen sie Realschüler in den Blick. Denn sie haben die Unterstützung bitter nötig.

Lehrerin Angelika Rindt-Göbig nennt als Berufswahlkoordinatorin der Realschule Stadtmitte die Zahlen: 35 Prozent der Schüler gehen nach dem Realschulabschluss in die Oberstufe, um Abitur zu machen. 65 Prozent wechseln an ein Berufskolleg, die meisten in einen vollschulischen Ausbildungszweig. Die Zahl derjenigen, die eine duale Ausbildung beginnen, liegt bei unter zehn Prozent. In ihrer aktuellen Abschlussklasse haben nur zwei eine Ausbildungsstelle bekommen, sagt Angelika Rindt-Göbig: „Wir beobachten, dass es immer weniger werden.“ Heinrich Lehnert, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, nennt dies „eine Katastrophe. Wir müssen zusehen, dass wir mehr als zehn Prozent in die Ausbildung bringen.“

Ein Weg dahin, glaubt Angelika Rindt-Göbig, sei, die Jugendlichen früher anzusprechen: „Die neunte Klasse ist zu spät. Der achte Jahrgang ist noch flexibel. Da muss man im Kopf die Weichen stellen.“ Und die Schüler motivieren, sich zu bewerben. Denn da, das weiß die Lehrerin, hapert es auch: „Nach den ersten Absagen ist der Frust groß. Oft achten Eltern nicht darauf.“

Über Betriebserkundungen und das aktive Kennenlernen von Berufsfeldern sollen die Jugendlichen nun motiviert und sensibilisiert werden. Der Begriff „Berufsfelder“ ist Thomas Löhr vom Unternehmerverband besonders wichtig: „25 Prozent aller Ausbildungsverträge beziehen sich auf sieben Berufe.“ Dabei stehen über 300 zur Wahl. Ähnliche Fähigkeiten seien teils gefragt – wenn man das wisse, müsse man sich nicht auf einen Beruf versteifen, sondern könne sich breiter aufstellen. Löhr: „Wir wollen die Schüler individuell an Berufe heranführen, die zu ihren Interessen passen.“

Die Arge setzt ebenfalls auf diesen Ansatz, fördert die „Vertiefte Berufsorientierung“ deshalb mit 500 000 Euro. 5000 Schüler an 39 Schulen in Mülheim und Oberhausen erreichen sie so, um „Fehlentscheidungen zu vermeiden“. Und um Schülern zu zeigen, dass die Jahre am Berufskolleg teils unnötig sind.

Auch Werner Timmerbeul setzt auf die Praxis. Der Geschäftsführer der Lux Automation GmbH, Kooperationspartnerin der Realschule Stadtmitte, sagt es deutlich: „Ich brauche keinen Studierten, der nie einen Draht in der Hand hatte. Ich brauche jemanden, der von der Pieke auf gelernt hat.“ Ausbildung ist für ihn unersetzliche Grundlage, später könne man sich noch weiterqualifizieren. Denn: Mit den Händen arbeiten zu können, ist im Handwerk durchaus von Vorteil.