Das Singen ist nicht nur des Müllers, sondern auch des Polizisten Lust, wie der vor 90 Jahren gegründete Polizeichor beweist, der sich zurzeit auf sein Jubiläumskonzert vorbereitet.
Schon jetzt führte die NRZ mit dessen Vorsitzenden Franz Gibowski ein Gespräch, in dem Musik ist.
Warum erlebte der Polizeichor ausgerechnet vor 90 Jahren seinen ersten Auftakt?
Darüber gibt es eine schöne Anekdote, die seinerzeit unser Chorbruder Hermann Münster überliefert hat, der zu den Sängern der Gründungsgeneration gehörte. Er wurde 99 Jahre alt und hat noch mit 98 Jahren im Chor mitgesungen. 1920, in der Zeit des Ruhrkampfes, war die Polizei an der Südstraße kaserniert. Die Polizisten verbrachten dort viel Zeit miteinander. Sie mussten 12- bis 14-stündige Bereitschaftsdienste leisten. Da hat man sich dann auch schon mal in einer Dienstpause auf den Feldbetten ausgeruht und das eine oder andere Lied zusammen gesungen. Und plötzlich kam jemand auf die Idee: „Das klingt so gut. Daraus könnten wir einen Chor machen.“ Und tatsächlich hat der Polizeichor schon bald etliche Sängerpreise gewonnen, die damals vom preußischen Innenminister ausgeschrieben worden waren. Hinzu kamen erste Auftritte in der damals neuen Stadthalle.
Ist der Polizeichor heute wirklich noch ein Polizeichor?
Bis 1954 bestand der Chor nur aus aktiven Polizeibeamten. Doch dann hat er sich bewusst auch für andere Berufs- und Bevölkerungsgruppen geöffnet. Damals hat man aus der Not, dass es immer weniger Polizisten gab, die im Chor singen wollten, eine Tugend gemacht. Heute haben wir in unserem 32-köpfigen Chor noch einen aktiven Polizeibeamten. Etwa 40 Prozent der Sänger sind pensionierte Polizeibeamte. Der größte Teil kommt aus anderen Berufs- und Bevölkerungsgruppen.
„Wo man singt, da lass dich nieder. Denn böse Menschen keine Lieder“ Stimmt diese Volksweisheit?
Das ist wohl nicht mehr zeitgemäß. Denn wir wissen heute aus unserer Geschichte, dass auch böse Menschen ihre Lieder haben. Es gab mal eine Zeit, in der man ein polizeiliches Führungszeugnis beibringen musste, um in den Polizeichor aufgenommen zu werden. Das gibt es heute nicht mehr. Stattdessen gibt es eine Probezeit, in der alte und neue Chorsänger sich kennen lernen und dann entscheiden können, ob sie zusammenpassen oder nicht.
Sind sie ein Chor für jede Tonart?
Das kann man so sagen. Unser Repertoire reicht von Rock und Pop bis zu Oper- und Musicalliedern. Unsere Zuhörer sind immer sehr zufrieden. Doch leider ist ihre Zahl insgesamt genauso rückläufig wie die Zahl der aktiven Sänger. Das Durchschnittsalter unseres Chores liegt über 60 Jahren.
Worüber möchten Sie ein Klagelied anstimmen?
Über das geringe Interesse am Gesang und am deutschen Liedgut. Das soziale Miteinander ist heute nicht mehr so ausgeprägt wie es einmal war. Heute sind weniger Menschen bereit, sich die Zeit zu nehmen, um gemeinsam etwas Schönes auf die Bühne zu bringen. Die meisten Menschen wollen ihre Freizeit heute individuell und selbstbestimmt verbringen und sich auch durch Proben und Konzerttermine nicht fremd bestimmen lassen.
Auf wen oder was würden Sie gerne mal ein Loblied singen?
Darauf, dass unser Chorleiter Juri Dadiani uns seit 15 Jahren die Treue hält. Er ist sehr engagiert und kann die Sänger immer wieder motivieren und ihnen Lust auf neues Liedgut machen. Dabei ist er sehr genau und jeder Ton muss stimmen.
Macht der Ton die Musik?
Das stimmt sowohl für den Gesang als auch für das menschliche Miteinander, in dem man immer den richtigen Ton treffen muss. Auch als Polizeibeamter habe ich immer wieder erlebt, wie viel man gewinnt, wenn man es versteht, auf Menschen freundlich zu- und einzugehen.
Herrscht im Polizeichor Harmonie oder ist auch Platz für Dissonanzen?
Bei uns herrscht überwiegend Harmonie. Denn wir haben ja ein auch gemeinsames Hobby und zudem gemeinsame Ziele, die uns verbinden. Auch nach den Proben setzt man sich oft noch zusammen oder trifft sich mit den Familien der Chorbrüder. Natürlich gibt es auch schon mal Meinungsunterschiede. Denn wir sind zwar uniformierte Polizeibeamte, aber keine uniformierten Menschen.